Neue Westfälische (Bielefeld): Die Schweiz liefert Polanski nicht aus Armutszeugnis HUBERTUS GÄRTNER

Die Schweiz wurde von Steuersündern lange Zeit
als weltliches Paradies betrachtet, weil sie Schutz vor
Strafverfolgung bot. Die Eidgenossen achten nicht nur das
Bankgeheimnis. Nun haben sie auch das Freiheitsrecht eines berühmten
Filmregisseurs Roman Polanski höher eingeschätzt, als das Interesse
der USA, den 76 Jahre alten Roman Polanski strafrechtlich wegen
sexuellen Missbrauchs zur Verantwortung zu ziehen. Polanski wird
nicht ausgeliefert – auf den ersten Blick wirkt diese Entscheidung
wie ein „Promi-Bonus“ und eine Ungeheuerlichkeit. Doch so einfach
liegt der Fall nicht. Er ist komplizierter und in Wahrheit ein
Armutszeugnis für die Justiz, das mehrere Jahrzehnte in die
Vergangenheit reicht. Vor 33 Jahren hat Polanski ein 13 Jahre altes
Kind in den USA mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht und
missbraucht. Eine schändliche Tat. Polanski hat sie gestanden und 42
Tage zwangsweise in einer psychiatrischen Anstalt verbracht. Im Jahr
1978 hat er sich dann durch Flucht der weiteren Strafverfolgung
entzogen. Danach lebte Polanski unbehelligt in Europa, die US-Justiz
tat wenig. Darin liegt der Skandal. Dass die Schweiz Polanski jetzt
nicht ausliefert, ist konsequent. Der Beschuldigte hat einen Teil der
Strafe verbüßt, das Opfer hat ihm verziehen. Wozu also jetzt noch ein
Schauprozess?

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