Keine Forderung hat sich im Wahlkampf so stark
zum Herzblutthema der Sozialdemokratie entwickelt wie der Ruf nach
dem Mindestlohn. Gerade wegen dieser emotionalen Verbundenheit ist
der Spielraum für Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles nicht
allzu groß gewesen, sich auf Ausnahmewünsche der Wirtschaft
einzulassen. Der Mindestlohn werde flächendeckend und pünktlich zum
1. Januar 2015 eingeführt, verspricht die Ministerin. Wohl-wissend,
dass die SPD-Basis gerade die Umsetzung dieses Versprechens sehr
kritisch unter die Lupe nehmen wird. Denn für viele Parteimitglieder
war der Mindestlohn der ausschlaggebende Grund für das Ja beim
Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag. So ganz ohne Ausnahmen wird
dieser Mindestlohn trotzdem nicht umgesetzt. Nahles ist nicht mit der
Brechstange vorgegangen und hat sich vernünftigen Argumenten nicht
verschlossen. Ehrenamtliche, Schülerpraktikanten, junge Beschäftigte
unter 18 Jahren, Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten
eines Arbeitsverhältnisses: Für sie alle soll auch in Zukunft der
Mindestlohn von 8,50 Euro nicht gelten. Dem Begehren, bestimmte
Branchen vom Mindestlohn auszunehmen, hat die Ministerin allerdings
nicht nachgegeben. Doch haben alle Branchen Zeit, innerhalb von zwei
Jahren behutsam auf den Mindestlohn einzuschwenken. Nichts wird übers
Knie gebrochen. Dass durch die Einführung eines flächendeckenden
Mindestlohns tatsächlich Hunderttausende arbeitslos werden, wie
einige wirtschaftsnahe Experten vermuten, ist nur schwer zu belegen.
Schließlich sind jüngst in etlichen Branchen bereits Mindestlöhne
eingeführt worden, ohne dass davon negative Beschäftigungseffekte
ausgegangen wären. Selbst die Fleischindustrie, die sich lange
sträubte, hat einen Mindestlohn auf den Weg gebracht. Die Große
Koalition hat innenpolitisch noch zu keinem harmonischen Rhythmus
gefunden. Vielleicht wird das Thema Mindestlohn die Gemeinsamkeiten
befördern. Schließlich scheint die Zustimmung hier sowohl in der
Bevölkerung als auch in der Koalition größer zu sein als beim
Rentenpaket.
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