Die Tafeln im Land sind überlastet. Die
Nachfrage nach kostenlosen oder günstigen Lebensmitteln ist in den
Ballungsräumen oft größer als das Angebot. Das ist leider nicht neu.
Neu aber ist, was die Essener Tafel tut. Sie verhängt einen –
vorübergehenden – Aufnahmestopp für Ausländer. Die würden die
deutschen Stammkunden verdrängen, sagt der Vorsitzende der Essener
Tafel, und das sei ja nicht Sinn der Sache. Die Reaktionen darauf
reichen von vorsichtig geäußertem Verständnis über Kritik bis zu
Empörung und Diskriminierungsvorwürfen. Doch wie ist das Vorgehen an
der Steeler Straße in NRWs viertgrößter Stadt einzuordnen? Zunächst:
Die Essener haben nicht beschlossen, von nun an keine Lebensmittel
mehr an Ausländer auszugeben. Ihre Entscheidung betrifft die Aufnahme
von neuen Kunden. Die ist deshalb wichtig, weil die Nachfrage so groß
ist und es Wartelisten bei den Tafeln gibt. Bei neuen Klienten will
man in Essen für eine gewisse Zeit einen deutschen Pass sehen. Um den
Anteil der deutschen Kunden wieder in einen dem Bedarf entsprechenden
Rahmen zu bekommen, wie es heißt. Wobei der Bedarf nicht genau
gemessen werden kann. Trotzdem: Die Maßnahme ist, selbst wenn man
eher Hilflosigkeit als Fremdenfeindlichkeit unterstellt, unglücklich.
Natürlich sind die Tafeln eigenständige gemeinnützige Vereine und
keine Staatsinstitutionen. Sie haben Hausrecht. Das ändert aber
nichts daran, dass die Menschen, die zu ihnen kommen, in den meisten
Fällen tatsächlich Hilfe brauchen. Und Hunger und Durst haben wir
alle, egal, welchen Pass wir mit uns führen. Die Essener
Tafelbetreiber sollten noch einmal prüfen, ob sie mit ihrer Maßnahme
richtig liegen oder über das Ziel hinausschießen. Wenn man der
Entscheidung etwas Gutes abgewinnen will, dann die Tatsache, dass sie
ein in Vergessenheit geratenes Problem wieder ins Bewusstsein ruft.
In einem der wohlhabendsten Länder der Welt mit einem der stärksten
Sozialsysteme gibt es dennoch viele, die Mühe haben, mit ihren
finanziellen Mitteln ihr täglich Brot zu bestreiten. Diese Menschen
brauchen Hilfe. Entweder indem man ihnen zeigt, wie man mit der
staatlichen Unterstützung so umgeht, dass sie auch für Lebensmittel
reicht. Vor allem aber indem staatliche Institutionen damit
beauftragt werden, die Versorgung der Bedürftigen zu organisieren,
statt sich auf die Initiative von mehr als 900 gemeinnützigen
Vereinen mit dem Namen „Tafel“ zu verlassen. Dann käme es auch nicht
mehr zu solchen Entscheidungen wie der in Essen.
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