Eines muss man ihr lassen, vermarkten kann sich
die FDP. Das fängt bei den Tassen auf den Parteitagstischen an
(„Wahlkampfjahr 2017 – Ich war dabei.“) und endet bei der großen
Erzählung von Rückgrat und Geradlinigkeit. Beides habe man schon vor
den Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen 2012 gezeigt, als die FDP den
Haushalt der rot-grünen Landesregierung abgelehnt hatte; beides liege
nun dem Abbruch der Sondierungsgespräche mit Union und Grünen
zugrunde. Zweifellos hat Christian Lindner geliefert, nachdem er beim
Gütersloher Parteitag vor fünfeinhalb Jahren den damaligen
Gesundheitsminister Daniel Bahr als Chef der NRW-FDP ablöste. Er
schaffte die Trendwende, setzte im Landtag rhetorische Maßstäbe und
hievte die Liberalen von der Plattform in Düsseldorf aus in den
Bundestag – das verdient Respekt. Mit seiner Heldensage des
Wiederaufstiegs allerdings überzieht der FDP-Chef. Was die Neuwahl in
NRW angeht, gibt es abgestuftere Meinungen, genauso angesichts der
eigenen Verantwortung in der Partei. So ausgeprägt die Nervenstärke
jedes einzelnen FDP-Mitglieds, so groß sei einst sein Mut gewesen,
ans Steuer zu gehen, heißt es im Selbstzeugnis des umjubelten
Parteichefs, der die FDP inzwischen so straff führt, dass man sich
fragt, wie es um die Konfliktkultur der Liberalen steht. In der FDP
trifft man wenige, die den Mut zu konstruktiver Kritik aufbringen.
Gerhart Baum gehört zu ihnen, außerdem Gerhard Papke. Er liegt völlig
richtig: So tollkühn und karrieregefährdend war die Übernahme der
Parteiführung für Lindner dann auch nicht.
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