Neue Westfälische (Bielefeld): Karlsruher Urteil zu Eigenbedarf Fatales Signal Wolfgang Mulke

Bei vielen Mietern in guten Lagen geht die Angst
um. Der Wohnungsmarkt ist in vielen Städten derart angespannt, dass
sich für eine gute Bleibe seitens der Eigentümer fast jeder Mietpreis
durchsetzen lässt. Entsprechend groß ist das Interesse der Vermieter,
durch Sanierung, Neuvermietung oder die Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen kräftige Profite zu erwirtschaften. Das wäre bei
einem funktionierenden Markt kein Problem. Doch das Angebot ist in
vielen Quartieren so kläglich, dass es kein ausgewogenes Verhältnis
zwischen Angebot und Nachfrage geben kann. Das wird sich so schnell
nicht ändern. Bis ausreichend Wohnungen gebaut sind, vergeht viel
Zeit. Der Neubau ist in Deutschland durch Auflagen so teuer, dass
preiswerter Wohnraum gar nicht mehr zusätzlich entstehen kann. Die
Angst der Mieter vor einer Überforderung hat also einen realen
Hintergrund. Das Urteil des Bundesgerichtshofes verstärkt diese Sorge
noch. Die obersten Richter gestatten Unternehmen in Form von
Personengesellschaften Eigenbedarfskündigungen, wenn eine Wohnung für
enge Angehörige eines Gesellschafters benötigt wird. Die Entscheidung
ist als Gleichstellung etwa zu Erbengemeinschaften nachvollziehbar,
doch in der Lebenswirklichkeit des Immobilienbooms ein fatales
Signal. In der Branche geht es rau zu. Wenn sich mit einem
vorgegaukelten Eigenbedarf ein paar hunderttausend Euro verdienen
lassen, ist das für die schwarzen Schafe unter den Investoren ein
starker Anreiz für ein Fehlverhalten gegenüber Mietern. Zumal es
keine abschreckende Sanktion gibt. Klar, dass ein privater
Wohnungskäufer ein Anrecht darauf hat, in den eigenen vier Wänden zu
leben. Aber wo Immobilien gewerblich erworben werden, sollte ein
anderer Maßstab gelten. Die Bundesregierung hätte diese Lücke mit den
Mietrechtsreformen schließen können, es aber unterlassen. Es ist
höchste Zeit, das nachzuholen. Viele Mieter werden 2017 in den
Wahlprogrammen schauen, welche Partei sich für bezahlbaren und
sicheren Wohnraum einsetzen will. Die große Koalition hat sich nur
halbherzig für die Mieter stark gemacht – mit Gesetzen wie der
Mietpreisbremse, die in der Praxis gar nicht wirkt.

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