Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Berliner Wahl und Bundespolitik Verlorene Illusionen ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Die Berliner Wahl hat manche Illusionen wie
Seifenblasen platzen lassen. Die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur darf
etwa auch künftig ohne Klaus Wowereit beantwortet werden. Der
Regierende Bürgermeister hat in Berlin über zwei Prozent verloren und
damit zu glanzlos gewonnen, um auf die bundespolitische Bühne
wechseln zu können. Das Kandidatentrio aus Sigmar Gabriel, Peer
Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier muss also keine neue
Konkurrenz befürchten. Die Berliner wollten zwar den Charmeur, der zu
ihnen passt, aber auch eine Politik, die die Probleme immerhin etwas
aktiver anpackt als in der Vergangenheit. Bundespolitisch bedeutsam
ist es auch, dass Rot-Grün kein Selbstläufer ist. Wowereit setzt auf
Infrastrukturprojekte wie den internationalen Flughafen oder die
Erweiterung der Stadtautobahn. Wenn die Grünen bei diesen Themen
nicht noch über ihren Schatten springen – wonach es momentan nicht
aussieht -, dürfte in Berlin Rot-Schwarz bessere Chancen haben.
Schwarz-Gelb auf der Bundesebene bleibt weiter ein fragiles Bündnis
mit zweifelhafter Überlebensdauer. Die Bundes-FDP um Parteichef
Philipp Rösler hat sich zwar nach der Berliner Pleite entschlossen,
den Eurorebellen in den eigenen Reihen Widerstand entgegenzusetzen.
Aber gleichzeitig lässt Rösler die Frage offen, wohin er die FDP
grundsätzlich zu steuern gedenkt. Die inhaltliche Leere und die
Existenzkrise machen die Liberalen anfällig für populistische
Versuchungen. Auch hat sich Schwarz-Gelb in der Endphase des Berliner
Wahlkampfs nichts geschenkt. CDU und FDP haben sich beim Europakurs
so stark zerstritten, dass sie wie erbitterte Gegner aufeinander
eindroschen. Dass Schwarz-Gelb plötzlich auf Bundesebene zur Harmonie
zurückfindet, glauben wirklich nur noch notorische Berufsoptimisten.

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