Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Bahnchaos kurz vor Weihnachten Offenbarungseid NICOLE HILLE-PRIEBE

Mit den Worten „Wir kleckern hier nicht, wir
klotzen“, hatte Bahnchef Rüdiger Grube Ende September versprochen,
dass in diesem Winter alles besser wird. Drei Monate später rät er
nun den Reisenden, sich kurz vor den Feiertagen lieber nicht auf sein
Unternehmen zu verlassen und von Fahrten mit der Deutschen Bahn
abzusehen. Die Erfahrungen der letzten Tage zeigen, dass man eher an
den Weihnachtsmann als Grube glauben kann. Denn nicht der
Wintereinbruch, sondern die desolate Verfassung des Unternehmens ist
verantwortlich für das Chaos. Die Deutsche Bahn, sagen Experten, ist
lange vor ihrer verschobenen Privatisierung in einem Zustand, für den
ihre britische Kollegin erst nach dem Börsengang weltbekannt wurde.
Nicht der Wintereinbruch, sondern ein marodes und zum Teil
stillgelegtes Streckennetz, defekte Züge und Personalmangel führen
zum Notstand. Als die Bäume noch grün waren und die Kinder im Freien
spielen konnten, war es zu warm. Jetzt hat sich die Landschaft in ein
Schlittenparadies verwandelt – und der Bahn ist es zu kalt. Jeder
bekommt die Technik, die er bestellt, heißt es hinter vorgehaltener
Hand. So kommt es, dass zwischen Moskau und St. Petersburg die Züge
so problemlos verkehren wie in der Schweiz oder in Österreich. Die
deutschen Bahntechnikhersteller beteuern, dass sie die Züge
wintertauglich ausrüsten. Rollendes Material funktioniert aber nur,
wenn es das ganze Jahr über Instand gehalten und gepflegt wird. Die
Bahn hat das Wartungsangebot der Hersteller aus Kostengründen immer
ausgeschlagen. Der vom Bund diktierte Sparzwang führt also dazu, dass
die gesamte Fahrzeugflotte seit Jahren in Eigenregie gewartet wird.
Das Ergebnis kann man der Anzeigetafel in der Bahnhofshalle
entnehmen: Da führen meist defekte Triebköpfe zu Ausfällen und
Verspätungen. Alles andere ist ein Wintermärchen.

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