Ein entschärfter Getränkebecher im Regionalzug
in Bielefeld, gesprengte herrenlose Koffer mit Büroutensilien oder
Unterwäsche in Berlin und Hamburg, eine offenbar behördlich
verordnete Bombenattrappe in einem deutschen Flieger – die Liste der
Kuriositäten will bei den aktuellen Terrorwarnungen kein Ende nehmen.
Nicht auszudenken, was im Ernstfall passiert. Aber solange konkrete
Hinweise an die Bevölkerung fehlen, bleibt die Gefahr diffus, und
schützen kann man sich auch nicht. Böse Zungen behaupten sogar, dass
wir so schlecht informiert werden, weil die allgemeine Verunsicherung
ganz gelegen kommt. In Anbetracht der vielen unbekannten Variablen
fällt eine Einschätzung der realen Bedrohung zunehmend schwer. Zumal
sich die Ereignisse überschneiden: Bereits im September gab es in der
Bundesregierung Streit über die von Innenminister Thomas de Maizière
(CDU) geplante Verschärfung der Sicherheitsgesetze. De Maizière hat
nicht nur den Job, sondern auch den alten Wunschzettel seines zum
Ende seiner Amtszeit recht hysterischen Vorgängers Wolfgang Schäuble
geerbt. Er soll Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdiensten mehr
Befugnisse geben, die befristeten Anti-Terror-Gesetze verlängern, dem
Verfassungsschutz die Erlaubnis zur Telekommunikationsüberwachung und
allen Nachrichtendiensten die Befugnis zur Abfrage von
Kontostammdaten geben und Informationen, die mittels
Online-Durchsuchung erlangt wurden, als reguläres Beweismittel im
Strafprozess zulassen. Was bislang fehlte, war der Anlass, eine
Rechtfertigung des von der Union geplanten tiefen Eingriffes in die
Grundrechte eines jeden Bürgers – denn der Satz „Wir brauchen die
Vorratsdatenspeicherung“ ist keine Begründung, sondern lediglich eine
weitere Aussage, eine Behauptung. Und die wird nicht wahrer, nur weil
man sie wie ein Mantra oft genug wiederholt. Der aktuelle Aufhänger
ließ sich mit den Paketbomben aus dem Jemen, die Ende Oktober auf dem
Flughafen Köln/Bonn umgeladen wurden, gut entwickeln. Dann kam die
dramatisch vermittelte aktuelle Terrorwarnung – in Begleitung von
neuen Ideen wie etwa dem Vorstoß von Siegfried Kauder (CDU), die
Pressefreiheit einzuschränken. „Die Presse muss dazu verpflichtet
werden, sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch
ist“, fordert der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages.
Außerdem wieder im Gespräch: Der Einsatz der Bundeswehr im Inland zur
Terrorbekämpfung. Da weiß man so langsam gar nicht mehr, wovor man
eigentlich mehr Angst haben soll: vor dem Terror – oder vor seiner
Beschwörung. Wer die Sicherheitsgesetze verschärfen will, hat es in
Deutschland zum Glück nicht leicht. Weite Teile der FDP, die Grünen,
die Linke und vor allem Bürgerbewegungen zählen zu den kritischen
Wächtern der Bürgerrechte. Sie sind der Überzeugung, dass uns die
innere Freiheit wichtiger sein muss, als sie am Hindukusch zu
verteidigen. Die Freiheit ist das höchste Gut in der Demokratie – und
die beste Waffe gegen Terror.
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