Die CDU ist und bleibt eine Kanzlerpartei,
pardon: eine Kanzlerinpartei. Es gehört seit Jahrzehnten zu ihrer
Identität, dass sie ihre wichtigsten Führungsleute nicht unnötig
beschädigt. Darauf konnte sich auch Angela Merkel – bei allem
internen Gemurre über das Erscheinungsbild der von ihr geführten
Bundesregierung – gestern bei ihrer Wiederwahl zur Parteivorsitzenden
verlassen. Merkel ist die wichtigste Führungsfigur der Union. Das ist
unzweifelhaft. Das gilt auch dann, wenn man konzedieren muss, dass
die Delegierten des Parteitags ihrer Vorsitzenden einige Merkzettel
mit auf den Weg gegeben haben. Merkzettel 1: Das glänzende
Wahlergebnis ist gleichwohl ein paar Punkte weniger gut als das
letzte. Es zeugt von einem feinen Gespür der Delegierten, dass sie
Merkel genau so viel Rückendeckung gaben, dass man von einem
Vertrauensbeweis sprechen kann, was die Kanzlerin dann ja auch tat.
Gleichzeitig aber waren es allerdings auch so viele Stimmen weniger,
dass darin der Unmut über die Leistungen der Regierung Merkel zu
erkennen ist. Merkzettel 2: Ihr wichtigster Stellvertreter ist nun
ihr Umweltminister Norbert Röttgen. Der neue Landesvorsitzende der
NRW-CDU erhielt von den Delegierten das beste Ergebnis aller
Stellvertreter. Und er kam mit über 88 Prozent der Stimmen sehr nah
an die Zustimmung zu seiner Vorsitzenden heran. Auch das ist ein
Signal der Delegierten: Nach dem Abgang der alten Garde Rüttgers –
der nie so viel Rückendeckung in der Bundes-CDU hatte wie Röttgen -,
Oettinger, Wulff und Koch aus der CDU-Spitze gibt es einen neuen
mächtigen Vize. Es ist kein Geheimnis, dass sich Röttgen in NRW
durchgesetzt hat, obwohl Merkel und ihr engstes Umfeld eine andere
Lösung bevorzugten und daraus hinter den Kulissen auch kein Hehl
machten. Das und die Tatsache, dass Röttgen den mit Abstand stärksten
CDU-Landesverband führt, macht ihn von heute an zum zweiten Mann an
der Spitze der Union. Merkzettel 3: Die Partei vermisst Identität und
konservative Führung in Regierung und Union. Nirgendwo war der
Beifall für die Kanzlerin so stark wie an jenen Stellen, an denen sie
die Seele der Partei streichelte: Schwarz-Grün oder Jamaika?
„Illusionen, Hirngespinste.“ Opposition? „Macht Mist.“ Zum „C“ will
sie stehen, die Familie ist wieder die „Keimzelle der Gesellschaft“,
der Papst die Kraft für Freiheit, Zuwanderung in Sozialsysteme
unerwünscht. Das alles lässt die sich heimatlos fühlenden
konservativen Herzen in der Union höher schlagen. Aber reicht das
auch, um die CDU aus dem Tal der 31-Prozent-Umfrageergebnisse
herauszuführen? Keine Frage: Merkel geht gestärkt aus dem Parteitag
hervor. Wie nachhaltig diese Stärkung ist, wird sich indes erst im
Frühjahr zeigen. Dann wählt Baden-Württemberg. Und dann erst wird man
sehen, was das Merkel-Ergebnis von gestern wert ist.
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