Präsident auf Bewährung
Der Bundespräsident hat sich entschuldigt. Nicht mehr, nicht
weniger. Ob seine Entschuldigung angenommen wird, hängt davon ab, ob
etwas und was an zweifelhaften Privatgeschichten des Präsidenten noch
im Verborgenen wartet. Denn gestern hat Christian Wulff nur das
Wichtigste geleistet: die bekannten Fakten persönlich als korrekt
dargestellt zu bestätigen und sich dafür höchstselbst und öffentlich
zu entschuldigen. So weit, so gut – das wird man diesem Präsidenten
zugestehen müssen. Wenn nun nichts Weiteres an Fehlleistungen samt
Vertuschungsversuchen folgt, wird Wulff seine Amtszeit wie geplant zu
Ende bringen können. Eine ganz andere Frage ist die nach der
verlorengegangenen persönlichen Reputation unseres Staatsoberhauptes.
In den letzten neun Tagen dieser Affäre hat sich das Bild von einem –
vielleicht doch zu jungen – Präsidenten gezeigt, der in einer Art
Bunkermentalität zwar die Einschläge immer näher rücken hört, sie
aber entweder als kleinliches Gemäkel am Staatsoberhaupt abtut oder
gar als Majestätsbeleidigung durch Kommentatoren und Korrespondenten
zu verhindern trachtet. Der inzwischen zurückgetretene italienische
Ex-Präsident Berlusconi hat so etwas immer wieder versucht. Am Ende
ist er auch daran gescheitert. Nicht zuletzt Wulffs selbstgerecht und
selbstherrlich wirkender Umgang mit seiner Krise nährte die Zweifel
an der Befähigung für dieses höchste Staatsamt. Die warnenden
Hinweise von Koalitionspolitikern aus Union und FDP, man solle von
der Wulff-Kritik lassen, weil sie das Amt beschädige, offenbarten
eine völlige Fehlwahrnehmung von Ursache und Wirkung. Es ist nicht
die öffentliche Kritik am Fehlverhalten eines Amtsträgers, die das
Amt beschädigen kann, sondern das Fehlverhalten des Amtsträgers, das
in die Krise führt. Daraus leiten sich nur zwei Möglichkeiten ab:
Entweder der Amtsinhaber korrigiert seine Fehler. Oder er verlässt
das Amt. Wulff hat es nun mit der Korrektur des Fehlers versucht. Ob
der dreieinhalbjährige Rest seiner Amtszeit ausreicht, die
Beschädigungen der Amtsperson nachhaltig zu korrigieren, wird man
sehen. Es gibt Vorbilder von Format, denen das auf zum Teil
beeindruckende Weise gelungen ist. Bill Clinton schaffte es
beispielsweise nach seiner Affäre mit Monica Lewinsky. Auch Johannes
Rau gelang der Sprung aus seiner Flugaffäre zu einer allseits
geachteten Amtsführung. Nun steht Wulff ab sofort unter besonderer
Beobachtung. Er ist Präsident auf Bewährung.
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