Es ist nicht das erste Mal, dass in der Politik 
Beschlüsse gefasst werden, von denen jeder weiß, dass sie nicht 
realisierbar sind. Beispiel CSU: Die 101-köpfige Fraktion im 
bayerischen Landtag kam nach viereinhalbstündiger Aussprache mit 
Ministerpräsident Horst Seehofer ohne förmliche Abstimmung überein, 
dass eine „Personaldiskussion“ um den Chefposten bis zum Parteitag am
17. und 18. November zu unterbleiben hat. Ganz abgesehen davon, dass 
man dies einer Partei mit 150.000 Mitgliedern in 3.000 Ortsverbänden 
ohnehin nicht vorschreiben kann, wird dies – so wie man die CSU kennt
– ein frommer Wunsch bleiben. Denn das Strippenziehen, Durchstechen 
und Kungeln hat in der CSU eine so gefestigte Tradition wie sonst in 
kaum einer anderen Partei. Das weiß keiner besser als der Vorsitzende
selbst. Seehofer will erst einmal Schadensbegrenzung erreichen. Wer 
jetzt noch laut seine Ablösung fordert, soll in die Pfui-Ecke 
gestellt werden. Mehr ist im Augenblick nicht drin nach dem für die 
CSU blamablen Ergebnis von 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl. Aber 
solche Strategien haben in der Partei noch nie richtig geklappt. In 
die Pflicht genommen werden können damit vielleicht für begrenzte 
Zeit die 101 Landtagsabgeordneten, darunter alle Mitglieder des 
Seehofer-Kabinetts. „Alle miteinander sollen wir uns gut vertragen“, 
fasste Dauer-Kronprinz Markus Söder die Beratungen treuherzig 
zusammen. Über seinen Satz „Das mache ich sowieso“ musste er selbst 
schmunzeln. Auch rein technisch kann der Maulkorb bis zum 
Parteitagsbeginn nicht funktionieren. Denn auf dem Parteitag wird 
auch der Vorsitzende gewählt. Man wird den Orts- und Kreisverbänden 
sowie den mehr als tausend Delegierten schwerlich untersagen können, 
bis zum 17. November darüber zu diskutieren, ob man Seehofer erneut 
unterstützt oder nicht. Und bis dahin sind es nur noch knapp sieben 
Wochen. Obendrein wird man zu diesem Zeitpunkt auch noch längst nicht
abschließend bewerten können, wie sich Seehofer für die CSU in Berlin
geschlagen hat. Denn bis zum bayerischen Parteitag wird sich gerade 
mal die Union intern auf eine gemeinsame Position einigen können – 
wenn überhaupt. Die schwierigen „Jamaika“-Verhandlungen dürften erst 
danach beginnen. Und so kann man sich schon jetzt gut vorstellen, wie
Seehofer die Delegierten unter Druck setzen wird: Wer soll denn, 
bitteschön, die Interessen der Partei gegen Gelb und Grün in Berlin 
durchsetzen, wenn nicht er?
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