Keine Frage: Als im aufgeklärten Deutschland
aufgewachsene Frau – zumal eine, die sich als Feministin begreift –
kann man nur gegen die Burka sein. Dagegen, dass sich Frauen,
aufgrund welcher Vorschriften auch immer, verstecken müssen vor der
Öffentlichkeit, ihr Gesicht, ihre Identität verleugnen müssen. Die
Burka ist das Gegenteil von Gleichberechtigung. Trotzdem: Auch eine
Feministin kann gegen ein Burka-Verbot sein. Oder gegen ein Verbot
von Burkinis, über das in Frankreich gerade vor Gericht entschieden
wurde. Und das aus pragmatischen und grundsätzlichen Gründen. Die
pragmatischen sind schnell aufgezählt:
– Wer die Burka für ein Zwangsinstrument gegen Frauen hält, kann
diesen unterdrückten Frauen schlecht mit staatlichen
Zwangsgeldern begegnen – in der irrigen Hoffnung, dass der
finanzielle Druck schwerer wiegt als der im Zweifel massivere
des Ehemanns oder der Familie.
– Wer will, dass Frauen sich möglichst frei in der Öffentlichkeit
bewegen können, sollte nicht das Gegenteil riskieren: Dass sie
ganz zu Hause eingesperrt werden.
– Wer aus Sicherheitsgründen für ein Verbot plädiert, der müsste
sich schon durch die Wirkungslosigkeit in Frankreich und Belgien
eines Besseren belehren lassen, wo Vollverschleierung seit
Jahren untersagt ist. In beiden Ländern wird die Sicherheitslage
von Jahr zu Jahr schlechter.
– Und wer der Auffassung ist, der Staat solle sich vordringlich um
tatsächliche Probleme kümmern und auf Symbolpolitik so weit als
möglich verzichten, kann die Debatte angesichts der nicht einmal
vierstelligen Zahl von Burka-Trägerinnen in Deutschland nur für
überzogen halten.
Viel wichtiger aber wiegt ein grundsätzliches Argument:
Integration lässt sich nicht über Verbote und Vorschriften erzwingen.
Die Debatte reiht sich nahtlos ein in die gerade angesagte
Abgrenzungsdebatte zwischen „uns“ und „denen da“: diesen Zuwanderern,
die uns hier irgendwie fremd sind. Und denen wir, weil sie schon
wegen der schieren Zahl nicht einfach ignoriert werden können, am
liebsten mit Befehlen begegnen: Passt Euch an! Benehmt Euch wie wir!
Zieht Euch an wie wir! Wenn die Befehle nicht unmittelbar fruchten,
ist der Ruf nach Gesetzen nicht weit: Minarette verbieten!
Integrationspflicht! Wohnsitzauflage! Doppelpass verbieten! Burka
verbieten! Diese Haltung schiebt das Problem der Integration, das
eines der ganzen Gesellschaft ist, einseitig den Migrantinnen und
Migranten zu. Eine Gesellschaft, die will, dass islamische Frauen
sich nicht mehr in einem Gefängnis aus Stoff verbergen, darf ihnen
nicht mit Ordnungsgeld drohen. Sie muss sie ermutigen, das Gefängnis
abzuwerfen. Sie muss ihnen Schutz bieten und Perspektiven jenseits
dieses Gefängnisses. Und sie muss vor allem eines: mit ihnen
sprechen.
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