Die Wahlforscher sagen einen Sieg von Wladimir
Putin bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag in Russland vorher.
Für die deutsch-russischen Beziehungen bedeutet das Stabilität. Das
ist das Positive. Um die Erdöl- und Gaslieferungen aus Russland muss
man sich hierzulande keine Sorgen machen. Denn die deutsche
Zahlungsmoral macht auch den Russen keine Sorgen. Und das Geld
brauchen sie nicht minder als die Deutschen das Gas. Eher dringender.
Russland hat sonst nicht viele nennenswerte Einkommensquellen auf dem
Weltmarkt. Außerdem will es in dem europäischen Gasversorgungsnetz –
in dem deutschen besonders gern – Fuß fassen. Hier ist sehr viel Geld
zu verdienen. Es ist wichtig, dies im Auge zu behalten. Putin sieht
sein eigenes Land vom Westen bedroht. Er begründete kürzlich in der
Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ das größte Programm zur Aufrüstung der
russischen Streitkräfte seit dem Zerfall der Sowjetunion damit, dass
„der Westen sich nicht scheut, sich in die Angelegenheiten der
souveränen Staaten einzumischen. Und die Konkurrenten können Russland
überfallen, um Besitz von unseren riesigen Naturschätzen zu
ergreifen.“ Die vermeintlichen Begehrlichkeiten des Westens versteht
Putin übrigens als durchaus verständlich. Er, der Krösus der heutigen
Zeit, sieht sich als Beschützer des Rohstoffreichtums seines Landes.
Gleichzeitig strebt er eine Expansion gen Westen an. Seine Truppe ist
Gazprom, seine Waffe das Kapital aus Öl- und Gasexporten. Es sind
nicht nur Putins wirtschaftliche, sondern auch seine politischen
Instrumente. Putins Versuche, die Interessen der EU-Länder
gegeneinander auszuspielen, indem er zum Beispiel der deutschen
Kanzlerin privilegierte Extraverträge anbietet, mahnen die Europäer
zur Wachsamkeit. Auch beobachtet er genau, wie sich die
Gaslieferungsstopps als Druckmittel gegen die Osteuropäer auf das
Empfinden des Westens auswirken. Sein Eindruck muss wohl sein, dass
besonders bei den Deutschen äußerste Vorsicht im Umgang mit Russland,
ja vielleicht sogar eine gewisse Ängstlichkeit festzustellen ist.
Manche westliche – auch deutsche – Politiker reden mit ihm schon
ungern über die Menschenrechte in Russland. Sie wagen es auch nicht,
die Legitimation seiner Präsidentschaftswahl allzu laut in Zweifel zu
ziehen. Auch die russische Iran- und Syrienpolitik ruft im Westen
kaum Widerstand hervor. Putin sieht nicht nur sein Land in ständiger
Gefahr, sondern fühlt sich oft auch persönlich angegriffen. Vor allem
von westlichen Journalisten. Da antwortet er auch schon mal vorlaut.
Die kritischen Journalisten in seinem eigenen Land haben Schlimmeres
zu befürchten. Deshalb kann sich Europa nicht wirklich über die
Stabilität und Kontinuität der Zusammenarbeit mit Russland freuen.
Denn das Potenzial der europäisch- und deutsch-russischen Beziehungen
bleibt bei weitem nicht ausgeschöpft. Ein demokratisches Russland als
EU-Mitglied wäre ein unvorstellbarer Gewinn für beide Seiten. Als
NATO-Mitglied wäre Russland ein wesentlicher Stabilitätsfaktor für
die Welt. Mit Präsident Putin aber ist das alles nicht realisierbar.
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