So lange ist es noch nicht her, da wurde der Rat
von Experten, Deutschland müsse in der Energiepolitik künftig seinen
Fokus auf die erneuerbaren Energien setzen und sich von der
Kernenergie in absehbarer Zeit verabschieden, überwiegend von
konservativen Politikern als romantisierende Öko-Spinnerei abgetan.
Wirtschaftsvertreter fürchteten dramatische Umsatz- und
Gewinneinbußen, da man mit einem solchen Energiekonzept als
Industrieland im globalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig sei.
Diese Vorzeichen haben sich zu großen Teilen grundlegend gewandelt,
und das ist richtig so. Politische Parteien von den Grünen bis hin
zur CSU haben mittlerweile in unterschiedlichen
Regierungskonstellationen in Berlin daran mitgearbeitet, den
Paradigmenwechsel auf den Weg zu bringen, der heute unter dem Begriff
„Energiewende“ durchaus konsensfähig geworden ist. Mehr noch: Es ist
mittlerweile sogar schick geworden, mit Fortschritten bei der
Verwendung erneuerbarer Energien Standortmarketing zu betreiben. So
wirbt zum Beispiel der Kreis Höxter in OWL mit dem Siegel
„Bioenergieregion“, das er vom Bundesumweltministerium verliehen
bekommen hat. Gleichzeitig jedoch gibt es an vielen Orten in
Ostwestfalen-Lippe Auseinandersetzungen in der Bürgerschaft um die
weitere Ausgestaltung der Energiewende. Es geht unter anderem um die
Ausweisung neuer Standorte für Windkraftanlagen, den Bau von
Starkstromleitungen und die weitere mögliche Förderung für Biogas-
und Photovoltaikanlagen. Nicht zuletzt ist in vielen Privathaushalten
mittlerweile die Meinung vorherrschend: Die Kosten der Energiewende
gehen zu Lasten des „kleinen Mannes“, während die Großindustrie in
Milliardenumfang entlastet wird, um sie konkurrenzfähig zu halten.
Letztgenanntes Argument ist nicht völlig von der Hand zu weisen, doch
der Umfang der Befreiung von der EEG-Abgabe für die Industrie sorgt
bei vielen Experten für Kopfschütteln. Befreite Umweltminister Jürgen
Trittin (Grüne) im Jahr 2000 rund 400 stromintensive Unternehmen von
der EEG-Abgabe, stehen inzwischen rund 2.100 auf der Liste. Und es
gibt berechtigte Zweifel, ob all diese im internationalen Wettbewerb
stehen. Wenn große Energieversorger wie RWE heute einen
Basis-Stromtarif von 28,9 Cent pro Kilowattstunde von Verbrauchern
verlangen und gleichzeitig Großbetriebe wie Schlachthöfe diesen am
Terminmarkt auf bis zu etwa 4 Cent reduzieren können, ist eine
Unwucht in der Diskussion. Die privaten Haushalte, aber auch
mittelständische Betriebe fühlen sich vor diesem Hintergrund zu Recht
als Zahlmeister der Energiewende. So ist es für die Politik schwer,
eine Debatte nachzuholen, der man sich jahrelang aus wahltaktischen
Gründen entzogen hat. Alle müssen ihren Beitrag leisten, damit das
Jahrhundertprojekt gelingt. Auch der Staat kann sich seinen
Verpflichtungen nicht entziehen. Die Einbettung der Energiewende in
ein europäisches Klimakonzept auch durch monetären Einsatz ist
überfällig, damit das Ziel erreichbar und finanzierbar bleibt. Daran
müssen wir festhalten. Ohne Zaudern und Zögern.
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