Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Ende der Wehrpflicht Viele offene Fragen CARSTEN HEIL

Ein Stück deutscher Geschichte ist zu Ende
gegangen: Die letzten Wehrpflichtigen sind in die Bundeswehr-Kasernen
eingerückt. Auch wenn es offiziell nur ein „Aussetzen der
Wehrpflicht“ ist, glaubt niemand, dass sie jemals wieder eingeführt
werden wird. Die Erfordernisse an die Bundeswehr seien nach dem Ende
des Kalten Krieges andere geworden und die Wehrgerechtigkeit sei
längst auf der Strecke geblieben, so die Begründung. Stimmt. Aber
entscheidender ist, dass der Zeitgeist über die Wehrpflicht
hinweggegangen ist. Es war nicht mehr schick, sich für den Dienst an
der Waffe, für den Dienst an der Allgemeinheit auszusprechen. Allein
Begrifflichkeiten wie „Pflicht“ und „Dienst“ machen schon lange keine
Freunde mehr. Und so hat die Politik die Wehrpflicht langsam
ausgeblutet, die Dienstzeit von 18 Monate auf sechs reduziert und nun
konsequent de facto abgeschafft. Es brauchte nur des forschen
Verteidigungsministers zu Guttenberg, der seine Entschlusskraft unter
Beweis stellen wollte und schon ist eine Institution Vergangenheit.
Dabei sind enorme innenpolitische Debatten-Schlachten um die
Wehrpflicht geschlagen worden. Die ideologischen Auseinandersetzungen
bis in die 80er Jahre entzündeten sich oft an ihr. Wiederholt
befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Wehrdienst. Ob
Verteidigungsminister zu Guttenberg mit dem Manöver wirklich
glücklich wird, ist nicht sicher. Er hat damit mehr Fragen gestellt
als Antworten gegeben. Offen ist, ob er Geld spart und die Truppe
beweglicher wird und fitter für die neuen Bedrohungslagen. Woher
qualifizierter Nachwuchs für die Bundeswehr kommen soll, weiß
niemand. Und völlig unklar ist, wie das Gegenstück zur Wehrpflicht,
der Zivildienst ersetzt werden kann. Mit dem Ende dieser beiden
Einrichtungen verliert Deutschland ein Stück Bürgergesellschaft.

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