Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: EU-Erweiterung Kroatien ist willkommen KNUT PRIES, BRÜSSEL

Das, was einst leicht schief „Ost-Erweiterung“
hieß und eine mächtig emotionale Angelegenheit war, ist ein sehr
nüchternes Geschäft geworden. Kroatien hat die 35 Kapitel seines
Qualifikationsprogramms abgearbeitet? Okay, dann gibt es keinen
Grund, Zagreb länger im Wartestand zu lassen. Viel Überschwang und
Überhöhung finden nicht mehr statt. Das ist kein großer Verlust. Mit
salbungsvollen Parolen und frommen Verheißungen ist viel Schindluder
getrieben, sprich: Enttäuschung auf beiden Seiten angerichtet worden.
Die Aufnahme in die EU wurde für die Länder des einstigen Ostblocks
zu einer derart überragenden Prestige-Angelegenheit, dass die Frage
nach der Erfüllung der Voraussetzungen von der Hysterie ums Datum
völlig verdrängt wurde. Für Kroatien und alle, die noch kommen
werden, gilt: Beitritt erst nach bestandener Reifeprüfung. Wenn
zutrifft, was die Kommission versichert, sind die Kroaten der am
gründlichsten geprüfte Neuling aller Zeiten. Zugleich ist es gerade
ein Dutzend Jahre her, dass das halbfaschistische Tudjman-Regime
endete. Hyper-Nationalismus und Korruption sind längst nicht völlig
überwunden. Kroatien ist willkommen. Vor allem als Beispiel, dass der
Weg lang, das Ziel aber über entschlossene Reformen tatsächlich
erreichbar ist.

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