Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR EU-Gipfel Zur Solidarität verdammt ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Griechenland-Rettung, Banken-Rekapitalisierung,
Schuldentragfähigkeit, Rettungsschirm mit oder ohne Hebel – kaum
jemand blickt noch durch bei dem, was die Staats- und Regierungschefs
in Brüssel verhandeln. In diesen europäischen Chaostagen sucht man
händeringend nach vertrauten, Sicherheit stiftenden Symbolen – und
wurde gestern Nachmittag immerhin für kurze Zeit fündig. Deutschland
und Frankreich scheinen wieder auf einer Wellenlänge zu funken. Das
beruhigt. Auch wenn Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zur Stunde noch
kein Ergebnis präsentieren können, das sämtliche Knoten auflöst.
Konkrete Ergebnisse soll es sowieso erst beim Zweitgipfel am Mittwoch
geben. In Deutschland muss vorher noch mindestens der
Haushaltsausschuss, wenn nicht der gesamte Bundestag dem
Verhandlungsstand der Regierung grünes Licht erteilen. Wie
segensreich diese extensive Parlamentsbeteiligung tatsächlich ist,
wird sich im Lauf der Krise zeigen. Sie ist verständlich, weil das
Haushaltsrecht das Königsrecht des Bundestags ist und es um
Milliarden Euro Steuergelder geht. Aber die Parlamentsbeteiligung hat
auch zur Folge, dass die Handlungsfähigkeit der Exekutive
eingeschränkt wird. Die Abgeordneten denken an die Vorbehalte ihrer
Wähler und versuchen aus großen Summen möglichst kleine zu machen –
das ist aber eventuell das Gegenteil von dem, was nötig wäre. Denn
weiterhin bleibt es richtig, dass Deutschland als Exportnation darauf
angewiesen ist, dass andere Nationen über genügend Mittel verfügen,
um die heimischen Produkte zu kaufen. Der eigene Wohlstand hängt in
besonderem Maße von dem Wohlstand im Rest von Europa ab. Deutschland
ist zur Solidarität verdammt. Eine Bürgschaft in Höhe von 211
Milliarden Euro für den Rettungsschirm ist dafür kein zu hoher Preis.

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