Verordnetes Gedenken ist kein Gedenken, sondern
folgenloses Ritual. Wie oft hat es in Deutschland schon Betroffenheit
über rechte Gewalt, über Morde an ausländischen Mitbürgern gegeben?
Menschenketten, Kerzenschein? Hehre Worte nach den tagelangen
Krawallen vor allem gegen Vietnamesen 1992 in Rostock, Gesten der
Versöhnung nach den Brandanschlägen von Mölln und Solingen mit Toten
und Verletzten. Bitten um Entschuldigung bei zahlreichen
fürchterlichen Gelegenheiten. Folgen? Keine. Über zehn Jahre kann ein
Neonazi-Trio acht Türken und einen Griechen sowie eine deutsche
Polizistin kaltblütig ermorden. Die wurden nur zu Opfern, weil sie
keine Deutschen waren. Eine Anschlagsserie, die einmalig ist in der
Geschichte Deutschlands. Und statt den Angehörigen zu glauben, wurden
die von den Ermittlungsbehörden der Taten verdächtigt. Weil Ausländer
von vornherein verdächtiger sind als Deutsche? Da hilft kein
Gedenken, da helfen Zorn und Scham und – wenn man sich ein wenig
beruhigt hat – kühle Überlegung, wie dem Übel beizukommen ist.
Eigentlich müsste an dieser Stelle der Ruf nach dem starken
Rechtsstaat folgen. Doch dieser Ruf bleibt im Halse stecken. Denn
zusätzlich zu den unfassbaren Taten des Trios hat genau der unfassbar
versagt. Wahre Größe haben in solchen Situationen kaum die Deutschen
mit ihren Gedenkritualen und getragenen Reden gezeigt. Nach dem
Anschlag von Solingen war es Mevlüde Genc, die Großes geleistet hat.
Als Mutter, Großmutter und Tante der Getöteten ist sie seit 1993
Opfer. Sie hat dennoch Versöhnung angeboten, gegen Rassismus
gekämpft. Auch gestern haben die Hinterbliebenen nicht vorwurfsvoll
geklagt. Hoffentlich hilft das Gedenken der Deutschen ihnen
wenigstens bei der Trauerarbeit. Nur dann hat das Ritual Sinn. Uns
bleibt nur die Scham.
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