Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Griechenlandrettung Teil II Merkels Autorität bröckelt ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Erst drückt die FDP der Kanzlerin Joachim Gauck
als Bundespräsidenten-Kandidat aufs Auge, dann meutert
CSU-Innenminister Friedrich bei der Griechenland-Rettung. Angela
Merkels Autorität bröckelt im Sauseschritt. Erstmals gibt es in
Fragen der Eurorettung keine Kanzlermehrheit mehr. Noch nie haben so
viele Abgeordnete aus CDU und CSU zum Merkel-Kurs Nein gesagt.
Minister Friedrich, der selbst in letzter Minute doch noch auf ein Ja
zur Griechenland-Hilfe umschwenkte, hat in den eigenen Reihen
offenbar einen Nerv getroffen. Dass ein Mitglied des Kabinetts als
Stichwortgeber für die Abweichler dient, ist eine besondere
Demütigung für die Kanzlerin und zeigt bedenklich tiefe Risse in der
oberen schwarz-gelben Führungsetage. Dabei ist gerade die Eurorettung
für kleingeistigen Populismus zu groß und zu ernst. Angela Merkel hat
ja Recht: Als Kanzlerin darf sie keine Abenteuer eingehen. Es wäre
sowohl politisch als auch ökonomisch unverantwortlich, Hellas aus dem
Euro herauszukomplementieren, wie es CSU-Innenminister Friedrich
vorgeschlagen hat. Ökonomisch würde es teurer als die jetzt
zugesagten 130 Milliarden Euro und politisch nähme das Projekt Europa
auf ewig Schaden. Ja, es ist wahr: Niemand weiß, ob die Eliten in
Athen die Kraft und den Mut aufbringen, ihr marodes Staatswesen an
Haupt und Gliedern zu reformieren. Aber die Auflagen sind dieses Mal
so strikt, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht hat. Solange nur
ein Funken Hoffnung besteht, darf sich Europa nicht verweigern und
schon gar nicht Deutschland, die europäische Führungsnation wider
Willen. Doch die eigene Koalition weiß Merkel in dieser europäischen
Existenzfrage nicht mehr geschlossen hinter sich. Kanzler Gerhard
Schröder hätte in solch einer Stunde die Vertrauensfrage gestellt.
Merkel traut sich das nicht.

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