Dieses Urteil trifft die politische Landschaft
Frankreichs wie ein Erdbeben. Gleichzeitig zeigt es, wie unabhängig
die Justiz erstmals ein Verfahren gegen einen Ex-Präsidenten geführt
hat, der zwölf Jahre lang im Élysée-Palast regierte. Richter
Dominique Pauthe verurteilte den in weiten Teilen der Bevölkerung
hoch angesehenen Politiker wegen Veruntreuung und Vertrauensbruchs zu
zwei Jahren Haft auf Bewährung. Und das, obwohl die
Staatsanwaltschaft Freispruch für den 79-Jährigen gefordert hatte.
Der Richter kannte kein Pardon für den Ex-Präsidenten. Denn nach
seiner Überzeugung hatte dieser es in seiner Zeit als Pariser
Bürgermeister mit der Einhaltung bestimmter Gesetze nicht immer so
genau genommen, als er etwa 30 Mitarbeiter aus der Stadtkasse
bezahlte, die in Wirklichkeit Wahlkampf für Chiracs Partei machten.
Dass die Reaktionen der Opposition auf die Verurteilung Chiracs, der
2005 einen leichten Schlaganfall erlitten hatte, zurückhaltend
ausfallen, ist nachvollziehbar. Denn der Machtmensch und Europäer
Chirac ist ein Mann der zwei Gesichter. Er steht auch für die
Anerkennung der Verantwortung des Vichy-Regimes für die Deportation
von Juden oder die kritische Haltung Frankreichs zur US-Irak-Politik.
Dies vergessen ihm die Franzosen nicht.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Weitere Informationen unter:
http://