Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Japan Die Multi-Katastrophe CARSTEN HEIL

Seien wir ehrlich: Wenn im Fernsehen heute
Bilder aus Japan zu sehen sind, zappen wir weg. Wenn die Zeitung aus
dem geschundenen Land berichtet, blättern wir weiter und wenn das
Radio aus Tokio sendet, drücken wir den Aus-Knopf. Zu sehr haben wir
uns an die Meldungen gewöhnt. Zu weit weg ist diese Katastrophe,
nein, ist diese Multi-Katastrophe. Denn gleichgültig, ob es um die
direkten Folgen der Erdstöße, den Monster-Tsunami oder den Atom-Gau
geht, die Auswirkungen sind so fürchterlich, dass wir sie uns kaum
vorstellen können. Und weil der Atom-Unfall uns noch am nächsten ist
– Erdbeben und Tsunami sind in Deutschland so gut wie unmöglich –
weil wir selbst Kernkraftwerke haben, die mit einem gewissen
Restrisiko schwere Schäden anrichten können, schauen wir in erster
Linie auf die Atom-Katastrophe, auf die in Wahrheit unsichtbare. Denn
die wahren Folgen sind noch gar nicht sichtbar, so wenig sichtbar wie
die Strahlung selbst. Es mag sogar sein, dass sie gar nicht so
schlimm werden, wie Experten sie heute befürchten. Wir wissen es
nicht und können für die Japaner nur das beste hoffen. Wirklich
schlimm, nachweisbar und sichtbar grausam sind die Folgen des
Erdbebens und des Tsunamis: Bis zu 28.000 Menschen sind tot,
Zigtausende leben in Notunterkünften, sehnen sich verzweifelt nach
ihren vermissten Lieben, können nicht zur Arbeit gehen, wissen nicht,
was mit ihrem Zuhause istund ob sie jemals wieder in ihrer Heimat
leben können. Das ist nackte Not. Sie geht in der Atom-Diskussion
unter. Vor allem in der hektischen Atom-Diskussion in Deutschland.
Die muss geführt werden, sicher. Aber an die direkten Opfer sollten
wir auch denken. Da ist es gut, dass jetzt bei einem
Wohltätigkeitskonzert in OWL mehr als 130.000 Euro für die wirklichen
Opfer zusammengekommen sind. Ein kleiner Trost.

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