Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Koalitionsgipfel Die Ärgervermeidungsstrategie ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

CSU-Chef Horst Seehofer soll das Kanzleramt nach
dem Gipfel der drei Parteichefs hochzufrieden verlassen haben. Klar,
denn Seehofer geht es vor allem um sein Betreuungsgeld, und der
Gesetzentwurf wird nun morgen ohne Kompromisse durchs Kabinett
gepeitscht. Das Betreuungsgeld soll Seehofer bei den Landtagswahlen
in Bayern den Machterhalt sichern – dass die meisten Menschen in der
Republik und auch viele in der CDU über so viel provinziellen
Egoismus entgeistert den Kopf schütteln, spielt keine Rolle. Die FDP
hat sich als Gegenleistung für ein Ja zum Betreuungsgeld den Einstieg
in die private Pflege-Vorsorge absegnen lassen. Die beiden
unsinnigsten Projekte dieser Wahlperiode sind damit zementiert
worden. Da stellt sich die Frage, was eigentlich Angela Merkel für
die CDU erreicht hat. Denn nach der versemmelten Wahl in NRW steht
derzeit doch vor allem die CDU-Chefin unter Erfolgszwang. Klar, die
drei Parteichefs wollen ihre Kraft vor allem in die beiden großen
Themen dieser Wahlperiode stecken: Eurokrise und Energiewende. Aber
das erwarten die Wähler doch sowieso. Es gibt jedoch in der CDU
sogenannte Herzensanliegen, an allererster Stelle die Forderung nach
Lohnuntergrenzen. Und die Forderung nach einer Frauenquote. Diese
Themen sind auf Spitzenebene begraben worden. Die FDP sei „hart“ bei
Frauenquote und Lohnuntergrenzen geblieben, jubeln die Liberalen. Ach
ja, überflüssig, zu erwähnen, dass der endlose Streit um die
Vorratsdatenspeicherung natürlich auch nicht beigelegt worden ist.
Angela Merkel will CSU und FDP ruhigstellen, um sich ungestört vor
allem der immer kniffligeren Eurorettung zu widmen. Der Preis für
diese Ärgervermeidungsstrategie ist hoch. Begeisterung erzeugt Merkel
mit diesem Kurs nicht – auch nicht in den eigenen Reihen.

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