Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Kontrollwahn bei versäumten Kinderuntersuchungen Der falsche Weg HUBERTUS GÄRTNER

Das Ziel ist ehrenwert, aber beschritten wird
der falsche Weg. Dieses Fazit lässt sich in Bezug auf die „Verordnung
zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen“
ziehen. Das Wortungetüm ist bezeichnend. Es steht für ein
Bürokratiemonster, das die schwarz-gelbe Landesregierung im Herbst
2008 aus der Taufe gehoben hat. Sinn und Zweck war es zum einen,
dafür zu sorgen, dass möglichst alle Eltern ihre Kinder bei den
ärztlichen Früherkennungsuntersuchungen vorstellen. Zum anderen
sollten zusätzliche Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung
„identifiziert“ werden. Beide Ziele wurden verfehlt. Es gibt immer
noch Eltern, die diese (medizinisch durchaus sinnvollen) freiwilligen
Untersuchungen nicht fristgerecht wahrnehmen. Das ist – nebenbei
bemerkt – ihr gutes Recht. Die „Verweigerer“ werden dennoch mit einem
gigantischen Datenabgleich herausgefiltert, anschließend unter den
Generalverdacht der Kindeswohlgefährdung gestellt und von
Jugendämtern bedrängt. Doch der Verdacht bestätigt sich praktisch
nie. Im Ergebnis wird von den Behörden ein unverhältnismäßiger
Aufwand betrieben. Dieser Kontrollwahn führt bei vielen Beteiligten
zu Frust und Misstrauen. Die rot-grüne Landesregierung sollte deshalb
den Mut haben, die Verordnung entsprechend anzupassen. Jugendämter
dürfen nicht pauschal mit Hausbesuchen auf tausende Eltern gehetzt
werden, die nichts verbrochen haben.

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