Die Bundeskanzlerin hat die Deutschen zu mehr
Zuversicht aufgerufen – in Zeiten schwerer Prüfungen, wie Angela
Merkel sagte. Vielleicht hilft Zuversicht ja und alles ist nur eine
Frage der Betrachtungsweise. Doch an dieser Stelle beginnt das
Dilemma, das prägend für 2017 sein wird. Wie sind die Dinge zu
betrachten? Die einfachste Frage dabei ist die nach der
Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Seien wir ehrlich: die beiden
Schubladen helfen bei der Orientierung im Leben. Mancher mag das
Klischee nennen, doch wir brauchen wohl eine solche moralische Basis.
Allein – es verstärkt sich der Eindruck, dass es immer weniger
Personen und Themen gibt, die zu Recht in die Kategorie für Gut und
Böse gehören. Längst ist aus dem Zwei-Schubladen-Kästchen eine
gewaltige Kommode mit unüberschaubar vielen Fächern geworden. Mancher
denkt an die Zeiten des Kalten Krieges zurück, als es (vermeintlich)
einfach war, Gut und Böse voneinander zu trennen. Der Westen mit
Freiheit und Demokratie schien die Verkörperung des Guten zu sein,
der Osten mit diktaturähnlichen Gesellschaften die des Bösen. Aber
nehmen Sie mal die Position eines DDR-Bürgers ein und schon wird es
komplexer. Und heute? Scheitern wir mit dem einfachen
Schubladen-System. Beispiel: Terror ist das Grundböse. Wer ihn
bekämpft, ist der Gute. Unbestritten. Doch tatsächlich argumentieren
wir mit Grautönen. Verübt der IS einen Anschlag, hält unsere
Betrachtung stand. Waren es Kurden, beginnen Diskussionen über
Ursache und Wirkung und die Frage: Wem kommt welche Rolle zu? Blicken
wir nach Syrien! Machthaber Assad steht auf der Seite des Bösen. Der
IS auch. Andere islamistische Rebellen wohl ebenso. Dabei hatten die
Rebellen zu Anfang noch klar die Rolle des Guten inne. Und was gilt
für Russland, das Aleppo bombardiert hat? Wer also kommt für den Part
des Guten überhaupt in Frage? Selbst in Washington wird es komplex.
Trump in der Rolle des Bösewichts, der die freie Demokratie bedroht.
Aber eben Präsident der USA, des wichtigsten Verbündeten des
westlichen Europas. Und schließlich bei uns: Aggression gegen
sogenannte Gutmenschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen; zugleich
ein teils hilfloser, leugnender Umgang mit den Problemen, die die
Zuwanderung mit sich bringt. Wir müssen damit leben, dass die Welt
eine große Kommode der vielfältigen Einordnungen ist. Zuversicht kann
da durchaus helfen. Ein klarer Blick, vorsichtigere Bewertungen und
der Mut, voreilige Fehleinschätzungen einzugestehen, sind jedoch
wichtiger.
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