Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Ministerpräsident Laschet bleibt der Ruhrtriennale fern Falsches Signal Stefan Brams

Kunst muss frei sein. Sie muss, auch wenn sie
staatlich gefördert wird, mit den ihr eigenen ästhetischen Mitteln
frei die Welt ergründen können – und diese sind eben nicht immer
politisch korrekt, sondern auch abwegig, sperrig, unbequem,
aufrüttelnd, berührend, verstörend und schon gar nicht
parteipolitisch kompatibel. Nur wenn Kunst sich quer zu den Dingen
stellen kann, dann gewinnt sie überhaupt Relevanz, dann ist sie in
der Lage, uns neue Sichtweisen und Sehgewohnheiten zu eröffnen und
unser Denken zu erweitern. Gerade ein Festival wie die Ruhrtriennale,
das 2002 gegründet und seitdem durchaus großzügig gefördert wurde,
lebte bisher davon, dass es seinen jeweiligen Intendanten Frei- und
Spielräume eingeräumt hat, international renommierte Künstler ins
Ruhrgebiet zu holen, die sich mit ästhetisch anspruchsvollen
Inszenierungen eben auch in die politischen, gesellschaftlichen,
kulturellen Diskurse und Verhältnisse eingemischt haben. Genau das
sollte auch in Zukunft so bleiben. Insofern ist es mit einigem
Befremden zu beobachten, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet
(CDU) nun dem Festival fernbleibt, weil dessen neue Intendantin
Stefanie Carp die schottische Band Young Fathers eingeladen hat. Die
steht der Israel-Boykott-Bewegung BDS nahe, die seit 2005 existiert,
aus rund 150 zivilgesellschaftlichen palästinensischen Gruppen
besteht und unter anderem zum zweifelhaften Boykott israelischer
Waren aufgerufen hat. Ja, es war falsch gerade in diesem Land, in dem
einst mit dem Boykott jüdischer Geschäfte die Entrechtung der Juden
und der Holocaust begannen, mit einer gewissen Arglosigkeit die Band
– die allerdings nie durch antisemitische Texte aufgefallen ist –
ein-, aus- und wieder einzuladen, bis diese schließlich selbst
absagte. Auch dass Carp die anstelle des Konzerts angesetzte
Podiumsdiskussion über die Freiheit der Kunst eher unglücklich
besetzt und auf den Sabbat – also den jüdischen Ruhetag – gelegt hat,
war wenig geschickt, ist aber noch lange kein Grund, sie generell
unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen. Aber genau das Geschäft
betreibt Laschet mit, der mit seiner Ansage, nun gar keine
Veranstaltung des Festivals besuchen zu wollen, indirekt unterstellt,
dass die gesamte Ruhrtriennale politisch kontaminiert sei. Das aber
ist nicht der Fall. Die Reaktion des Ministerpräsidenten ist
überzogen und diskreditiert das Festival. Er hätte besser selbst an
der Debatte über die Freiheit der Kunst teilgenommen, statt ein solch
falsches Signal in Sachen Kunstfreiheit zu setzen.

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