Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Obama legt Strategie gegen IS-Extremisten vor Ritt auf der Rasierklinge Dirk Hautkapp, Washington

Wer zurzeit regelmäßig die Abendnachrichten
sieht, sagte Barack Obama kürzlich, der glaubt, die Welt spielt
verrückt. Da ist was dran. 13 Jahre nach der „9/11“-Katastrophe zieht
Amerika unter einem Friedensnobelpreisträger, der alles anders machen
wollte als sein Vorgänger, in einen neuartigen, absehbar lang
anhaltenden Krieg gegen einen bis vor kurzem unbekannten Feind, der
die Attentäter von New York und Washington und ihre Hintermänner in
puncto Entschlossenheit und Brutalität in den Schatten stellt. Obama
will keine Bodentruppen, jedenfalls keine amerikanischen, einsetzen –
aber weit mehr als unbemannte Drohnen schicken, um die Hochburgen des
Terrornetzwerks „Islamischer Staat“ erst zu schwächen und dann zu
zerstören. Militärisch ein Ritt auf der Rasierklinge. Funktionieren
könnte die Unternehmung nur, wenn irakische und syrische Soldaten
verlässlich und ausdauernd am Boden nacharbeiten, was US-geführte
Lufthoheit vorbereitet. Wie schwierig das ist, zeigt Afghanistan.
Zudem ist auch im Irak wie in Syrien, wo in Gestalt von Assad
ausgerechnet ein Massenmörder von der Vertreibung der IS-Kämpfer
profitieren würde, das Risiko ziviler Opfer hoch. Und damit die
Gefahr, dass sich die labilen Zweckbündnisse, die das Kalifat des IS
ablehnen, beizeiten in Luft auflösen. Der Plan, den Obama morgen
vorstellen wird, mag an der Militärakademie Bestnoten einbringen. In
den Wirren des Nahen Ostens wirkt er akademisch.  Aber selbst wenn
ein kurzfristiger Sieg gegen die Kopf-ab-Islamisten am Ende gelingen
sollte: Der vielbeschworene Kampf um die Köpfe und Herzen der
Menschen in der arabischen Welt wäre damit längst nicht gewonnen.
Solange die Führungsmacht des Westens und ihre Koalitionäre abseits
des Militärischen keine glaubhafte Erzählung finden, die junge
Muslime auch in den Verlierermilieus Europas davor bewahrt,
sektiererischen Rattenfängern auf den Leim zu gehen, so lange wird
der Krebs des islamistischen Terrorismus immer wieder neue Metastasen
ausbilden.

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