Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Rückzahlungsforderungen an Flüchtlings-Bürgen Nächstenliebe wird bestraft Frank Hartmann

Wer eine Bürgschaft für jemanden übernimmt, darf
sich nicht darüber beschweren, wenn er im Fall der Fälle zur Kasse
gebeten wird. Aber auf keinen Fall so, wie Stefan Straube-Neumann aus
Hille im Kreis Minden-Lübbecke das gerade erlebt. Der hat für eine
sechsköpfige syrische Familie gebürgt, um ihr den Aufenthalt in
Deutschland zu ermöglichen. Nun soll er fast 50.000 Euro zahlen, die
die Familie an Sozialleistungen erhalten hat. Rückwirkend. In einer
vergleichbaren Situation befindet sich der Kirchenkreis Lübbecke. Der
hat aus christlicher Nächstenliebe 2014 zwölf Syrer ins Lübbecker
Land geholt, um sie vor der im Land wütenden IS-Terrormiliz zu
retten. Darunter eine ältere Frau, heute 77 Jahre alt. Allein für die
Frau verlangt die Stadt Lübbecke 12.000 Euro zurück. Dagegen hat der
Kirchenkreis geklagt, vor dem Verwaltungsgericht Minden allerdings
verloren: Die Klage wurde abgewiesen. Wie kann es sein, dass ein
humanitäres, ein christliches, ein zutiefst menschliches Hilfsangebot
damit endet, dass die Helfer – trotz Anerkennung ihrer Schützlinge
als Flüchtlinge – staatliche Sozialleistungen zurückzahlen müssen?
Diesen Widerspruch sieht sogar der Mindener Verwaltungsrichter so,
der früher im Sinne der Flüchtlings-Bürgen geurteilt hat, aufgrund
höchstrichterlicher Rechtsprechung seit Januar 2017 aber den Behörden
Recht geben muss, die Sozialleistungen zurückfordern. Ja, der
Verwaltungsrichter hat die Klage des Kirchenkreises Lübbecke gegen
die Stadt abgewiesen. Aber er hat auch eine höchst bemerkenswerte
Randbemerkung gemacht. Er sagte mit Blick zur Bank der Kläger: „Sie
sind ein Stück zum Spielball der Politik geworden.“ Der
Straube-Neumann, der Kirchenkreis und alle anderen Bürgen haben sich
fest darauf verlassen, dass ihre Bürgschaft befristet ist und endet,
wenn ihre Schützlinge als Flüchtlinge anerkannt sind. Es hat ihnen
vor der gegenteiligen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch
nie jemand etwas anderes gesagt – keine der Behörden, die jetzt Geld
zurückverlangen, und auch kein Politiker, der Gesetzgeber. Es wäre
angebracht, dass die OWL-Landtags- und Bundestagsabgeordneten sich
äußern und darlegen, was sie unternehmen werden, damit die
Hilfsbereitschaft von Bürgen nicht mehr bestraft wird. Erst recht
nicht auf diese Weise.

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