Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Schlecker-Insolvenz Krisengerede STEFAN SCHELP

Der Druckmaschinenhersteller Manroland ist
insolvent. Der traditionsreiche Kamerahersteller Kodak desgleichen.
Und jetzt auch noch Schlecker. Rollt nun eine neue, eine weltweite
Pleitewelle auf uns zu? Sind schon wieder zigtausende Arbeitsplätze
in Gefahr? Schon werden Erinnerungen an die vergangene Krise von 2008
wach, als der Stellenabbau in Deutschland in Zehntausenden gezählt
wurde. Sind das also die Signale einer erneuten wirtschaftlichen
Talfahrt? Eher nicht. Der Zusammenbruch der genannten Unternehmen
kann zur persönlichen Tragödie jedes einzelnen betroffenen
Angestellten werden. Das ist bitter für all jene, die sich einen
neuen Job suchen müssen. Das ändert aber nichts daran, dass es für
jede einzelne Pleite ganz individuelle Gründe gibt. Manroland zum
Beispiel kränkelte schon seit Jahren, litt unter einem beängstigenden
Auftragsrückgang. 2.200 von 4.700 Stellen sollen wegfallen beim
Hersteller von Druckmaschinen. Das Aus kam, nachdem der Hauptinvestor
Allianz Capital Partners den Geldhahn zugedreht hatte. Manch einer
wirft dem früheren Partner MAN vor, das Offenbacher Unternehmen
ausgesaugt zu haben. Kodak wiederum ist das Paradebeispiel für eine
verfehlte Unternehmenspolitik. Kodak, das war mal ein Synonym für
Fotografie. Dann verschlief der amerikanische Traditionskonzern die
digitale Fotografie. Und nach Jahren des Siechtums bleibt die Blende
nun möglicherweise endgültig geschlossen. Anton Schlecker verkündete
noch, genau wie einen Bäcker müsse es in jedem Dorf einen
Schlecker-Markt geben, als sich der Bäcker längst aus dem Dorf
zurückgezogen hatte. Er hielt am Verkauf von der Palette fest, als
die Konkurrenz von Rossmann, Müller und DM längst auf schickere Läden
umgestellt hatte. Er setzte auf enge, kleine Geschäfte, als die
Kunden sich anderswo an Licht und Luft gewöhnt hatten. Der neue
Schwung, der mit der jungen Generation einziehen sollte, verpuffte.
Das Image des Ausbeuters, des Krauters in 2b-Lagen, wurde Schlecker
nicht mehr los. Schlecker machte Laden um Laden dicht. Die Insolvenz
war deshalb für Branchenkenner schließlich keine Überraschung mehr.
Also: keine Insolvenzserie. Und auch kein Grund zur Sorge? Das nun
leider auch wieder nicht. Denn da kommt die Psychologie ins Spiel.
Und wenn es noch so gute, nachvollziehbare Gründe für jede einzelne
Insolvenz gibt. Häufen sich die Meldungen, schlägt das auf die
Stimmung. Auf die Verbraucherstimmung. Auf die Bereitschaft, Geld
auszugeben. Dabei ist es insbesondere der Konsum, der uns bislang vor
Schwierigkeiten bewahrt hat und die Wirtschaft auch in diesem Jahre
stützen soll. Der Einzelhandel setzt darauf, die Baubranche und
natürlich auch die in Ostwestfalen-Lippe so starke Möbelindustrie.
Wir sollten also nicht so viel von Krise reden. Sonst ist sie
irgendwann da. Und das wollen wir doch schließlich alle nicht.

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