Die NATO spinnt nicht. Die Bedrohungen, von
denen sie in ihrer neuen Strategie spricht, sind real: Terrorgefahr
in Deutschland, chinesische Hacker-Attacken, Erpressungen durch
Piraten. Und: Die Gefährdungen sind „bürgernah“. Die gefühlte
Bedrängnis ist größer als im Kalten Krieg. Die NATO kümmert sich um
Angelegenheiten, die den Menschen auf der Seele liegen. Populärer hat
sie das nicht gemacht. Ein erstaunlicher Befund: In Zeiten
hochgradiger Verunsicherung verliert der Hauptdienstleister in Sachen
Sicherheit an Popularität, obwohl er sich immerhin zugutehalten kann,
in vier Jahrzehnten Kaltem Krieg das Schlimmste verhindert und am
Ende den Gegner ohne einen einzigen Schuss bezwungen zu haben. Die
Gründe sind erkennbar: Der (relative) Erfolg auf dem Balkan ist
verblasst, der (in Grenzen wirksame) Einsatz gegen Piraten am Horn
von Afrika ist fürs breite Publikum zu randständig, die Vorkehrungen
gegen Terror und Datenkrieg sind zu wenig greifbar. Greifbar ist
hingegen das drohende Scheitern des Schlüsselunternehmens
Afghanistan. Außerdem: Für die einen stehen Abrüstung und das
Verhältnis zu Moskau im Vordergrund, für die anderen Raketenabwehr
und Iran, für wieder andere die Nichtverbreitung von Atomwaffen oder
die „modernen“ Bedrohungen. Es fehlt ein gemeinsames
transatlantisches Verständnis vom strategischen Zusammenhang. Das ist
umso enttäuschender, als die Gegenwart auch von Chancen geprägt ist.
Im Weißen Haus wie im Kreml amtieren vergleichsweise konstruktive und
liberale Präsidenten. Die EU erprobt die Mit-Verantwortung für
Sicherheit. Und mehr globale Risiken bedeuten auch mehr gemeinsame
Interessen. Daraus müsste sich ein Sicherheitsverbund schmieden
lassen, der mehr zu bieten hat als die Lissabonner Grabbelkiste der
NATO.
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