Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Warnstreiks im öffentlichen Dienst Rituale und Vorurteile BERNHARD HÄNEL

Wer auf öffentliche Verkehrsmittel,
Kindertagesstätten oder Krankenhäuser angewiesen ist, der muss sich
in dieser Woche darauf einstellen, dass nicht alles rundläuft. Die
Gewerkschaften Verdi, GEW und die Tarifunion des Beamtenbundes
erhöhen im laufenden Tarifstreit den Druck auf die Arbeitgeber und
rufen die 2,1 Millionen Beschäftigten beim Bund und in den Kommunen
zu Warnstreiks auf. Die üblichen Rituale haben begonnen. Der
Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Lothar de Maizière, spricht von
maßlos überzogenen Forderungen, und die Gewerkschaften verteilen
Trillerpfeifen, um ihren Forderungen auf den Straßen und Plätzen quer
durch die Republik Gehör zu verschaffen. Die mögen zwar laut sein,
aber liefern keine Argumente für die von Warnstreiks betroffene
Bevölkerung. Diese pflegt derzeit noch weitgehend die
althergebrachten Vorurteile gegen die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes. Sichere Arbeitsplätze, nahezu unkündbar und dennoch
unzufriedene Angestellte – so lauten die Argumente. Wer genauer
hinschaut, was die Kindergärtnerin leistet, was der Müllwerker in
stetig knapper bemessener Zeit zu bewegen hat und Krankenschwestern
an Verantwortung übertragen bekommen haben, der sollte Verständnis
aufbringen für den Wunsch nach Teilhabe am Zugewinn der öffentlichen
Hand. Klar ist aber auch, dass es den meisten Kommunen, allemal in
NRW, finanziell nicht gutgeht. Das aber ist nicht die Schuld der
Arbeitnehmer, sondern Folge der ungerechten Verteilung der
sprudelnden Einnahmen. Gerade saniert der Bund seinen Haushalt
zulasten der Kommunen, indem er Milliardenzusagen, etwa für die
Eingliederungshilfe, in ferne Zukunft verschoben hat. Zudem ist die
Sicherheit des Arbeitsplatzes bei Vater Staat längst eine Mär
geworden. In kaum einer Branche ist die Zahl der befristet
Beschäftigten so groß wie im öffentlichen Dienst. Hoch qualifizierte
Arbeitskräfte machen längst einen großen Bogen um seine Jobangebote.
Im Wettstreit um die besten Köpfe können die Kommunen nicht mithalten
mit der Privatwirtschaft. Mit prekären Angeboten aber ist kein Staat
zu machen. Für ein Vergelt–s Gott wird nicht mal bei den Kirchen
gearbeitet.

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