Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath Justizversagen Ralf Müller, München

Hätte man die bayerische Justiz ungestört
weiterwursteln lassen, säße Gustl Mollath wohl immer noch in der
Psychiatrie. Das ist wohl die niederschmetterndste Erkenntnis aus dem
Fall: Man kann sich auf die Selbstkorrekturfähigkeit des Systems
Justiz nicht verlassen, schon gar nicht, wenn psychiatrische
Gutachter mit im Spiel sind. Zu dem Wiederaufnahmeprozess am
Landgericht Regensburg ist es nicht gekommen, weil bei einer
Überprüfung durch Gerichte Fehler aufgefallen wären, sondern nur,
weil eine politisch in Bedrängnis geratene Justizministerin die
Staatsanwaltschaft angewiesen hat, einen Wiederaufnahmeantrag zu
stellen. „Das System funktioniert“, haben brave bayerische
Rechtspolitiker gejubelt, als Mollath freikam. Ein kapitaler Irrtum:
Das System der unabhängigen Justiz hat eben nicht funktioniert,
sondern wurde von außen zu Korrekturen genötigt – mit erkennbarem
Widerwillen. Was beim Wiederaufnahmeverfahren herauskommt, lässt sich
absehen: Strafrechtlich ist Mollath nach dem Gesetz freizusprechen.
Erneut in die Psychiatrie zwangseingewiesen wird er mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht. Nach dem Prozess dürfte
noch ein wenig um Mollaths Entschädigung gestritten werden. Aber
Fehler in den eigenen Reihen zu benennen und zu ahnden ist der
bayerischen Justiz weitgehend fremd.

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