Der rote Teppich ist eingerollt, Tische, Stühle
und das Staatsporzellan wieder verstaut. Jetzt wird sich zeigen, ob
die Auszeichnung von Angela Merkel mit der Freiheitsmedaille, dem
Oscar der amerikanischen Politik, ein inszeniertes Fest
deutsch-amerikanischer Freundschaft oder der erhoffte Neustart in
eine erneuerte und robuste transatlantische Partnerschaft war. Traut
man allein den Bildern, dann ist die Stimmung vortrefflich zwischen
beiden Nationen. Misstraut man ihnen, und dazu gibt es ausreichend
Anlass, hat sich nichts bewegt. Neue Entschlüsse und Initiativen
haben die gemeinsamen Stunden Präsident Obamas mit der Kanzlerin
jedenfalls nicht gebracht. Deutschland hat in Person von Angela
Merkel quasi eine Sonderbehandlung erfahren für den eingeschlagenen
Sonderweg in der Außenpolitik. Dies ist der Versuch Obamas aus
nüchtern strategischem Kalkül, das größte Land der EU wieder stärker
an die USA zu binden. Denn Deutschland ist seit der Wiedervereinigung
und dem Fall des eisernen Vorhangs nicht mehr Amerikas
Schutzbefohlener. Die Berliner Republik hat verschiedene Optionen und
erprobt sie auch. Vieles geht dabei daneben und erschreckt die
Partner. Nicht nur die USA. Auch Briten, Franzosen, Polen und selbst
die Luxemburger sind erstaunt, weil sie keinen strategischen Plan
erkennen können. Wie auch? Den gibt es nicht, denn die Kanzlerin
handelt meist situativ und selten berechenbar. Merkels Deutschland
ist den Amerikanern fremd, aber nicht unwichtig. Die Amerikaner
nehmen das zweite deutsche Wirtschaftswunder erstaunt wahr und fragen
sich, was sie daraus lernen können. Sie ahnen, dass es etwas zu tun
haben könnte mit dem Sonderweg, der finanziellen Raum schafft für
wirtschaftlichen Aufschwung. Dass dies nicht zu Lasten von Partnern
gehen darf, wird Obama der Deutschen auf den Weg gegeben haben.
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