Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar zum Grünen Parteitag in Freiburg

Den Vorwurf des Populismus haben die Grünen auf
ihrem Freiburger Parteitag eindrucksvoll widerlegt. Die Basis hat die
eigene Parteiführung überstimmt und gegen die deutsche Bewerbung für
die Olympischen Winterspiele 2018 votiert. Das zeigt, dass die Grünen
nicht einfach im breiten Strom zur Volkspartei-Tauglichkeit schwimmen
wollen. Ökologische Argumente gegen die Olympischen Spiele, die in
der Tat nicht von der Hand zu weisen sind, haben die Delegierten
überzeugt. Geht es um den Naturschutz, neigen die Grünen dazu, sich
schnell mit jeder Basisinitiative gemein zu machen. Darin liegen auch
gewisse Gefahren. Denn die Grünen zeigen sich mancherorts auch
anfällig für den Bürgerprotest gegen neue Stromtrassen und
Speicherkraftwerke. Dafür müssen schließlich Landschaften verändert
werden. Wer aber die Speicher und Leitungskabel nicht bauen will,
verhindert den Ausbau der erneuerbaren Energien. In Freiburg hat ein
selbstkritischer Delegierter zu Recht an dieser Stelle vom
„Lackmustest für grüne Glaubwürdigkeit“ gesprochen. Grüne Bürgernähe
ist also janusköpfig. Aber sie hat auch unbestreitbare Vorteile. Die
Grünen haben verstanden, dass auch ganz normale bürgerliche Leute
heutzutage mehr wollen, als nur alle vier Jahre wählen zu gehen. Die
Menschen möchten auch in der Zwischenzeit eine Politik erleben, die
gut erklärt und begründet wird und die nicht die einsame Entscheidung
im Hinterzimmer sucht, sondern den Dialog mit den Betroffenen. Eine
Politik der vollendeten Tatsachen ohne Rückkoppelung mit denen, die
dafür bezahlen müssen, wird nach Stuttgart 21 nicht mehr
funktionieren – egal ob der Bahnhof in Baden-Württembergs Hauptstadt
noch vergraben wird oder nicht. Neue Formen der Bürgerbeteiligung
sind gefragt. Diese Erkenntnis sollte Union und SPD zu denken geben.

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