Wenn jeder Deutsche eine Stunde in der Woche
länger arbeite, brauche man die ausländischen Arbeitskräfte nicht –
diese Worte stammen nicht etwa von Thilo Sarrazin oder Horst
Seehofer, sondern von Ludwig Erhard. Als Bundeskanzler sorgte er so
während der Wirtschaftskrise 1966/67 für Schlagzeilen. Damals zog die
NPD gleich in sieben Landtage ein, 1968 holte die rechtsradikale
Partei in Baden-Württemberg sogar fast zehn Prozent der Stimmen. Am
23. November 1973 verhängte die sozial-liberale Regierung einen
Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte. Die Inflationsrate war
auf sieben Prozent gestiegen, die Ölkrise hatte auch die
Arbeitslosenzahlen in die Höhe getrieben. Glaubt man den Zahlen der
Bundesagentur für Arbeit, steht Deutschland wieder kurz vor der
Vollbeschäftigung. Glaubt man den Prognosen eines Hans-Werner Sinn,
befindet sich die deutsche Wirtschaft auf einem historischem
Höhenflug. Glaubt man den Zahlen des statistischen Bundesamtes, ist
die Zuwanderung nach Deutschland seit zwei Jahren konstant, nachdem
sie von 2001 bis 2006 kontinuierlich zurückgegangen war. Eigentlich
ist das keine Zeit für Sündenböcke – es sei denn, man ist Politiker
und will die Zuwanderungsdebatte für die politische Performance
nutzen. Erst waren es zu viele Gastarbeiter, dann Asylberwerber,
schließlich Aussiedler und jetzt wieder Muslime. Haben wir denn in
den vergangenen 60 Jahren nichts gelernt? Deutschland leidet weniger
unter seinen Ausländern als an seinem eigenen mangelhaften
Integrationsverständnis. Unser Nachholbedarf als Einwanderungsland
hätte seit Jahren mit erheblichen Anstrengungen in den Bereichen
Bildung und Stadtteilpolitik verbunden sein müssen, doch die sind
unter jeder Regierung ausgeblieben. Und in einem Land, in dem er
nicht erwünscht ist, bleibt der Fremde sein Leben lang fremd.
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