Ein begeisterter Europäer. Wo gibt es das heute 
noch? Was Frankreichs junger Präsident Emmanuel Macron gestern im 
hochwürdigen universitären Rahmen an der Pariser Sorbonne als seine 
Vision eines starken, einigen und demokratischen Staatenbundes 
entwarf, ist früher schon geträumt worden. An Entwürfen hat es Europa
nie gemangelt. Gemangelt hat es stets an Stärke, Einigkeit und 
Demokratie. Angesichts der bestürzenden europäischen Realität 
erscheinen Macrons Reformvorstellungen eher waghalsig. Nehmen wir 
etwa die Weigerung osteuropäischer Partnerländer, die Anerkennung 
eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes zur solidarischen 
Verteilung von Flüchtlingen auch nur zu erwägen. Wer kann sich außer 
dem Überraschungssieger der französischen Wahlen im Mai dieses Jahres
eine gemeinschaftsweite Akzeptanz einer Europäischen Asylbehörde 
vorstellen, eines Eurozonen-Budgets samt neuem Eurozonen-Parlament? 
Realität sind Stagnation der europäischen Harmonisierung und 
Integration; Realität ist wachsende Euro- und Europaskepsis, die sich
nicht zuletzt in vielen Partnerländern im Wahlerfolg von 
Europagegnern und Rechtspopulisten niedergeschlagen hat. Und dennoch:
Soll man es dabei belassen? Macron meint, Nein! Und fordert, dem 
Stillstand, den Rückschritten auf dem gemeinsamen Weg mit Mut zu 
begegnen. Dem Mut der Verzweiflung? Macrons Stern ist im Ansehen der 
Franzosen seit Beginn seiner Amtszeit schon arg gesunken, Frankreich 
kämpft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Arbeitslosigkeit. 
Dass sich der Präsident jetzt mit solcher Verve auf die „Neugründung 
Europas“ stürzt, soll Frankreich auch zu neuer Bedeutung auf dem 
Kontinent verhelfen. Das geht nicht ohne die deutschen Nachbarn. Ganz
bewusst taktet Macron seine Rede in die Zeit zwischen Bundestagswahl 
und Regierungsbildung; seine Gedanken sollen in dieser Phase in 
Berlin eine Rolle spielen. Wie weit Kanzlerin Angela Merkel seinen 
Weg mitgehen kann, muss sich angesichts ihrer 
Koalitionsnotwendigkeiten erst noch zeigen. Eines lässt für Macrons 
Pläne hoffen: Er setzt bei allem auf Transparenz und Beteiligung der 
europäischen Bürger, und dies bis hin zu öffentlichen Debatten zu 
allen Reformvorhaben in allen Partnerländern. Europa lässt sich ohne 
die Europäer nicht bauen.
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