Es gehört zu den zynischen Wahrheiten in einem
Amerika, das sich an den Kreislauf von Armut, Drogen und Kriminalität
in vielen Groß- und Mittelstädten gewöhnt hat: Ohne Fernsehbilder, in
denen Flammen züngeln, Vandalen toben und Polizeisirenen heulen,
schaut kaum jemand mehr hin, wenn im sozialen Pulverfass die Funken
fliegen. In Baltimore sind die Spannungen nach dem tödlichen
Polizeieinsatz gegen den jungen Afroamerikaner Freddy Gray mit einer
Wucht eskaliert, die man seit den Unruhen von Los Angeles 1992 nicht
mehr gesehen hat. Aber Gray ist nur der Auslöser dieses blindwütigen
Aufschreis. Was sich in Baltimore entlädt, ist die Frustration und
Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation, die von Kindesbeinen an
lernen musste, nicht gebraucht und nicht gewollt zu werden. Was sich
im Vorgarten der Hauptstadt Washington abspielt, ist die Auflösung
der öffentlichen Ordnung. Die Obrigkeit reagiert – wie immer hilflos
– mit dem Standardrepertoire: Ausnahmezustand, Ausgangssperren,
Nationalgarde, Moralpredigten. Produziert wird damit trügerische
Ruhe. Bestenfalls. Bis zum nächsten Freddy Gray. Und das Fatale
daran ist: Alle wissen es. dirk.hautkapp@
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