Wer jemals Opfer einer kriminellen Gewalttat
geworden ist, wird die politische Diskussion die derzeit Deutschland
erfasst, nicht nachvollziehen können. Warum etwa ein verurteilter
Sexualstraftäter, dem Gutachter eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit
prognostizieren, irgendwann unbehelligt auf freiem Fuß leben darf,
wird sich einem Opfer nicht erschließen. Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) steht also vor einer Gratwanderung
denn sie ist gezwungen, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte in deutsches Recht umzusetzen. Dessen Tenor heißt:
Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung für verurteilte
Sexualstraftäter ist unzulässig. Mindestens 80 Gefangene in deutschen
Justizvollzugsanstalten sind von dieser Entscheidung betroffen; sie
vorbehaltlos in die Freiheit zu schicken, wäre sicher das falsche
Signal, das der Rechtsstaat hier aussenden könnte. Denn der Schutz
potenzieller neuer Opfer muss bei solchen Gewalttätern oberste
Priorität haben. Der Staat ist verpflichtet, von den Bürgern Schaden
abzuwenden, der für ihn absehbar ist. So muss das
Bundesjustizministerium gerade für die sogenannten Altfälle alle
Möglichkeiten ernsthaft prüfen, die einen solchen Opferschutz
gewährleisten können. Dazu gehört die elektronische Fußfessel ebenso
wie die polizeiliche Überwachung von freigelassenen
Sexualstraftätern. Der Bundesgerichtshof wird als oberstes
zuständiges deutsches Gericht die Zweifelsfälle zu entscheiden haben
und hier eine Abwägung zwischen den Freiheitsrechten der Triebtäter
einerseits und dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung andererseits zu
treffen haben. Die Gesellschaft vertraut darauf, dass der Kompass der
höchsten Richter im Zweifel zugunsten des Schutzgedankens ausschlägt.
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