Bislang beherrschte die CSU die innenpolitische
Debatte. In der vorösterlichen Woche wechselt diese Vorherrschaft zur
Sozialdemokratie. Mit seiner unverhohlenen Ankündigung, die
Hartz-IV-Gesetze zur Debatte zu stellen und gegebenenfalls
abzuschaffen, liegt der neue Arbeits- und Sozialminister Hubertus
Heil richtig. Er gibt damit der SPD ein Ventil, den alten
Schröder-Ballast abzulegen und sich Fragen der Zukunft zuzuwenden.
Schließlich verleiht Heil – das ist der wichtigste Effekt – einer
breiten Stimmung in der Bevölkerung Ausdruck. Das Thema der sozialen
Unsicherheit beherrscht die Bürger. Das kann man ablesen an den
Wahlergebnissen des vergangenen Jahres: an den Einbrüchen der
Volksparteien SPD und Union ebenso wie am Aufstieg einer
rechtsnationalen bis reaktionären Protestpartei wie der AfD. In ihrem
Bundestagswahlkampf haben die Sozialdemokraten zwar auch auf eines
ihrer Identitätsthemen, das der sozialen Gerechtigkeit, gesetzt. Aber
das trifft nicht den Kern der Sorgen der Menschen. Deren Unruhe
entstammt fehlender Sicherheit: des Arbeitsplatzes, des Einkommens,
der Rente, der Kinderbetreuung. Anders als die konservativen
Sicherheitsthemen Zuwanderung, Islamismus, Terrorismus liegen dort
die Potenziale, mit der eine Sozialdemokratie für sich mobilisieren
kann. Die ersten Umfrage dazu gibt Heil recht: Mehr als 60 Prozent
halten dieses soziale Sicherheitsthema für wichtig, weniger das
konservative, das CSU-Landesgruppenchef Dobrindt mit dem reaktionären
Schlagwort „Schulhof-Islamismus“ bedient. Der französische
Staatspräsident Macron hatte das neue Sicherheitsthema vor allen
anderen für sich entdeckt und es mit der Idee von Europa verknüpft,
die auch die Bürger in Deutschland schützt – gleich, ob es um
Digitalisierung, Globalisierung oder Migration geht. Das ist auch für
die SPD Chance und Perspektive. Wir befinden uns in Woche drei der
neuen Großen Koalition. Bislang haben vor allem CSU-Politiker die
Debatte bestimmt, die sich damit für die Landtagswahl in Bayern
aufstellen wollen. Bei den SPD-Ministern schien es noch etwas zu
holpern – ganz gleich, ob es um die Finanzpolitik der „Schwarzen
Null“ ging, die der Schäuble-Nachfolger Olaf Scholz zu übernehmen
scheint, oder um die Außenpolitik. Wenn der neue Arbeitsminister die
rückwärtsgewandte Hartz-IV-Debatte beenden würde und eine neue
Politik der sozialen Sicherheit etablierte, dann wäre nicht nur den
Menschen geholfen, sondern auch der SPD. Sie wäre vom Ballast
befreit.
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