Das ist der SPD hoch anzurechnen. Die 
Delegierten des Sonderparteitages haben intensiv über die Frage 
diskutiert, ob ihre Partei Koalitionsverhandlungen mit der Union 
aufnehmen soll. Sie haben sich inhaltlich, sachlich ausgetauscht, sie
haben Strategien diskutiert und mit sich selbst gerungen, wie die 
Zukunft Deutschlands und der SPD aussehen soll. Im besten Sinne haben
sie damit einen demokratischen Prozess durchgestanden. Am Ende 
stimmen sie knapp und ohne Begeisterung für die Aufnahme von 
Koalitionsverhandlungen. Aufatmen für die Partei. Aber auch für 
Deutschland. Noch liegen schwierige Verhandlungen vor allen 
Beteiligten bis eine Bundesregierung steht, aber ein weiterer Schritt
ist gemacht. Bei CDU und CSU scheint man sich für die eigenen 
heftigen Verluste bei der Bundestagswahl im September gar nicht zu 
interessieren. In deren Reihen herrscht nur dröhnendes Schweigen und 
ein paar Beschimpfungen der Sozialdemokraten. SPD-Chef Martin Schulz 
hat eine gute inhaltliche Rede gehalten. Er hat die bei den 
Sondierungen erzielten Ergebnisse Punkt für Punkt durchdekliniert. Er
hat die durchgesetzten sozialdemokratischen Herzensanliegen 
hervorgehoben und auch eingeräumt, dass die Partei mit 20,5 Prozent 
bei den Wahlen nicht alle ihre Anliegen durchsetzen konnte. Aber 
emotional hat er seine Partei nicht erreicht. Das hat erst Andrea 
Nahles mit einem fulminanten Auftritt Stunden später erledigt. Die 
Arbeitsministerin hat in wenigen Minuten Bauch, Herz und Seele vieler
Delegierten erreicht und dennoch auch argumentiert. Sie könnte den 
Ausschlag gegeben haben. Martin Schulz steht weiter in der Gefahr, 
zur tragischen Figur in der deutschen Politik zu werden. Wo Gerhard 
Schröder als Parteivorsitzender in den eigenen Reihen sehr SPD-fremde
Politik mit emotionalen Reden durchgesetzt und gemacht hat, bekommt 
Schulz nur mit Mühe, intensiver Unterstützung anderer Partei- und 
Gewerkschaftsprominenten und geschickter Parteitagsregie originäre 
SPD-Politik durch. Er kann jetzt seine Position stärken, indem er CDU
und CSU in den bevorstehenden Koalitions-Verhandlungen alles 
abverlangt. Die SPD geht gestärkt aus diesem innerparteilichen Streit
hervor, weil sich gestern die politische Vernunft durchgesetzt hat. 
Schulz hat ein Mandat für weitere Verhandlungen erhalten, noch nicht 
für Zustimmung. Für Kanzlerin Angela Merkel und die Union wird die 
Regierungsbildung kein Selbstläufer. Sie muss jetzt liefern.
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