Neues Deutschland: Die LINKE und die Präsidentenwahl

Was könnte die LINKE für Möglichkeiten haben! Sie
wäre in den Klub der Edeldemokraten aufgestiegen, von ihrer
Vergangenheit gereinigt und regierungsfähig, geben SPD und Grüne zu
verstehen. Hätte sie Joachim Gauck gewählt. Das mag glauben, wer
will. Dieselben Leute, die der Linkspartei sonst vorhalten, sich
nicht ihrer Geschichte zu stellen, hätten ihr jetzt als Lohn für eine
Symbolhandlung Absolution erteilt? Wenn das kein Etikettenschwindel
wäre – was dann? Nein, SPD und Grüne haben mit der Kandidatur Gaucks
einen machttaktischen Coup eingefädelt, der die Regierung bedrängen
und dabei die LINKE vereinnahmen oder wenigstens ein bisschen spalten
sollte. Gauck selbst zeigte wenig Sympathie für SPD und Grüne, gar
keine für die LINKE – und das soll der Schlüssel für rot-rot-grüne
Bündnisse gewesen sein? Das passt alles vorne und hinten nicht
zusammen. Über Kooperationen wird anhand von Sachfragen gesprochen,
und in entscheidenden Sachfragen stehen Gauck und Wulff der LINKEN
fern. Insofern muss sich die LINKE nicht – wie SPD-Vizechefin
Manuela Schwesig meint – vor ihren Anhängern für den Präsidenten
Wulff rechtfertigen, den sie gar nicht gewählt hat. Bei einem von der
LINKEN gestützten Präsidenten Gauck dagegen hätte es massiven
Erklärungs- und Rechtfertigungsdruck gegeben. SPD und Grüne wollten
weniger einen Wahlerfolg als vielmehr ein Spektakel. Das haben sie
bekommen und möchten es jetzt noch etwas auskosten.

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