Neues Deutschland: Führerloses Pakistan

Es ist die Schwere des Anschlags, die ihn
heraushebt. Dass er als Rache für Bin Laden ausgegeben wird, ist
höchstens zusätzliche Provokation und irreführend. Dieses jüngste
Selbstmordattentat in Pakistan ist eines unter vielen in diesem Jahr
und den Jahren davor. Es zeigt einmal mehr, dass Pakistan unter einer
sich auflösenden Staatsstruktur Chaos und Terror ausgeliefert ist.
Das eine bedingt das andere. Seit dem erzwungenen Abtritt des
Präsidentengenerals Musharraf und der Ermordung von dessen Rivalin
Benazir Bhutto stehen dem Land seit drei Jahren ein schwacher
Premierminister Gilani und ein Präsident Zardari vor, der dieses Amt
einzig seinem Status als Witwer Bhuttos zu verdanken hat.  Die
USA sehen das in ihrer südlichen Aufmarschbasis gegen Afghanistan
seit längerem mit Unbehagen. Um so erstaunlicher ist ihre Unfähigkeit
zu einem politischen Konzept gegenüber Pakistan. Mit immer mehr
Geldern zur Finanzierung des pakistanischen Rüstungshaushalts will
das Pentagon die Generäle in Islamabad bei Laune halten – und
brüskiert sie dann mit dem Coup gegen Bin Laden vor ihrer Haustür;
lässt sie vor aller Welt als nicht weiter beachtungswürdige Deppen
dastehen, die – das ist die Botschaft, die bei den 170 Millionen
Pakistanis ankommt – wohl auch einem Enthauptungsschlag durch den
Erzrivalen Indien nichts entgegenzusetzen hätten. Die Taliban – oder
wer auch immer den Anschlag vom Freitag ausführte – haben diese
Annahme blutig unterstrichen.

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