Neues Deutschland: Merkels Tribut

So fängt er also an, der Einstieg vom Ausstieg in
Afghanistan. 300 Bundeswehrsoldaten werden zusätzlich dorthin
geschickt. Bei einer sechsstelligen Zahl an Besatzern können 300 mehr
oder weniger in dem Land sicher nichts nennenswert verschlimmbessern.
Es ist die Geste, die zählen soll. Die 300 sind, versehen mit einem
unsichtbaren Entschuldigungsschleifchen, beim morgigen EU-Gipfel in
Brüssel eine Art Gastgeschenk, mit dem sich Kanzlerin Merkel Ablass
für die Stimmenthaltung beim UN-Beschluss zur Bombardierung Libyens
erhofft.

Es ist wohl auch ein Tribut an die unerwartete Schärfe, mit der
nicht nur die parlamentarischen Gegner SPD und Grüne über die
Bundesregierung herfallen, sowie ein Zugeständnis an die
Schienbeintreter in den eigenen Reihen – wie Bosbach, Brok und
Geißler. Merkel und Westerwelle sind nach ihrem Nein zu direkter
deutscher Kriegsteilnahme – die nach eigener Aussage keiner
prinzipiellen Antikriegshaltung entspricht, für die man sie aber
dennoch nicht schelten muss – ein bisschen eingeknickt.

Ihre Hoffnung, in Brüssel laute oder leise Verbündete zu finden,
ist aber nicht abwegig. Die Distanz einiger Verbündeter zu dem
militärischen Amokläufer im Elysée-Palast ist bereits jetzt zu
spüren. Nach Lage der Dinge wird sie zunehmen. Die Zweifel an dem
Krieg werden auch bei anderen wachsen und mit ihnen das Unbehagen,
politischem Abenteurertum auch noch Beifall zollen zu müssen.

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