neues deutschland: Nichts zu beschönigen – Kommentar zum Ausgang der Wahlen in der Türkei

Einen Tag nach den Wahlen in der Türkei gibt es
nichts zu beschönigen: Recep Tayyip Erdogan hat gewonnen. Alle
Hoffnungen der Opposition, dass es wenigstens zu einer Stichwahl
kommen könnte, wurden zerschlagen. Ein kleiner Trost: Der linken HDP
gelang es, trotz massiver Repressionen erneut ins Parlament
einzuziehen. Ihre Mitstreiter verdienen unbedingt Respekt und
Unterstützung. Die Türkei als hoffnungslosen Fall aufzugeben, hieße,
ihnen den Rücken zuzukehren. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass das
Parlament, in dem die HDP die drittstärkste Fraktion stellt, wegen
der nun endgültig installierten Präsidialdiktatur quasi keine
Handlungsmacht mehr hat. Umso mehr wird es in den kommenden Monaten
und Jahren auf die Macht der Straße ankommen – und hier besteht kein
Grund, die Hoffnung aufzugeben. Obgleich 140.000 Menschen seit Juli
2016 festgenommen wurden, sind die außerparlamentarischen Bewegungen
keineswegs tot.

Dies ist das eine. Darüber hinaus hinterlässt der Wahltag eine
Frage, der sich die linke Opposition in der Türkei wird stellen
müssen, ebenso wie all jene, die in Deutschland mit ihr gebangt und
gehofft haben. Die Frage ist banal, die Antwort kompliziert: Warum
wählen so viele Menschen Erdogan? Denn auch wenn das Ergebnis
zustande kam durch unfairen Wahlkampf, Manipulationen,
Ausnahmezustand und Unterdrückung der Opposition – es zeigt doch
auch: Die AKP kann weiterhin auf eine stabile Massenbasis bauen.

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