neues deutschland: Sich selbst besiegt

Mursi ist gestürzt, und im Nachhinein sieht es nach
langfristiger, kluger Regie aus – des Obersten Militärrates. Zum
Jahreswechsel 2011/12 fuhren die Muslimbrüder-Parteien überwältigende
Wahlsiege ein, später ebenso ihr Präsidentschaftskandidat Mursi. Der
nutzte die Stunde des Erfolgs, entledigte sich des mächtigsten
Militärführers und glaubte die Machtprobe gewonnen. Es war seine
erste gravierende Fehleinschätzung. Weitere des politischen
Neueinsteigers, der selbst bei den Muslimbrüdern zuvor bestenfalls
zweite Wahl war, sollten sehr bald folgen. Den Siegern waren ihre
satten Mehrheiten zu Kopf gestiegen. Mursis Muslimbrüder –
jahrzehntelang brutal unterdrückt – vermeinten im Siegestaumel, weder
Verbündete nötig zu haben noch Rücksicht auf Minderheitenmeinungen
nehmen zu müssen. Auslandsstiftungen – selbstverständlich mit
Ausnahme der saudi-arabischen – wurde auf rabiate Weise der Stuhl vor
die Tür gesetzt. Man strickte sich eine Verfassung, die Christen und
Säkulare erzittern ließ, und peitschte sie im Eilverfahren durch.
Selbst die Millionen traditionell orientierter Ägypter, die ihn
wählten, enttäuschte Mursi. Was sie von ihm erhofft hatten, war zum
wenigsten eine Islamisierung des Alltags, sondern eine Verbesserung
ihrer miesen Lebenslage. Die trat nicht ein. Die Stimmung kippte. Die
Militärs mussten lediglich abwarten, bis wieder nach ihnen gerufen
wurde. Fast noch ehe dies geschah, waren sie zur Stelle.

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