Neues Deutschland: Vorgehen gegen G8-Gegner: Demokratie?¶

Wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen in
anderen Staaten anzuprangern, ist die offizielle Bundesrepublik meist
ganz vorne. Und meistens folgt der Hinweis, dass es so etwas in
»unserer Demokratie« nicht gebe. Gibt es aber. Doch die
offensichtlichen Verstöße werden ignoriert, geleugnet oder
zurechtgelogen – zu oft mit Erfolg. Diesmal jedoch nicht. Wozu
deutsche Institutionen nicht fähig oder willens waren, hat nun der
Europäische Menschengerichtshof klargestellt: Die Freiheitsentziehung
zweier Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm war
rechtswidrig. Menschenrechtswidrig. Zwar hatten die Richter in
Strasbourg nur über den Fall der beiden Klageführer zu entscheiden.
Ein Einzelfall ist das, was den beiden passierte, jedoch keineswegs.
Stundenlange Polizeikessel, die Ingewahrsamnahme auf Verdacht, ohne
dass eine Straftat vorliegt, oder zuletzt das Festhalten von
Hunderten Castorgegnern unter freiem Himmel gehören mittlerweile zum
festen und vor allem immer häufiger angewandten Repertoire
staatlicher Repression gegen Demonstranten. Menschen, die ihr im
Grundgesetz verbrieftes Recht wahrnehmen wollen – wenn sie denn
gelassen werden. Proteste sind die Reaktion der Bürger und
Bürgerinnen auf aus ihrer Sicht verfehlte, unterlassene oder
gescheiterte Politik. Fehlen den Verantwortlichen dann die
demokratischen Antworten – die Politik zu ändern wäre eine gute –
wird diese Lücke auch in »unserer Demokratie« mit Polizeieinsätzen
gestopft. Das ist die falsche Antwort für eine richtige Demokratie.

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