Der türkische Präsident Erdogan scheint irritiert. 
Anders als es sein tägliches Quantum Kraftmeierei vermuten lässt, 
setzt bei ihm offenbar allmählich Nachdenken darüber ein, wie Ankara 
seinen momentanen Status einer politischen Quarantänestation 
loswerden könnte. Seit jenem ominösen Putschversuch vor fünf Wochen, 
vor allem aber dem danach einsetzenden Rachefeldzug Erdogans gegen 
Zehntausende missliebige Personen wird die türkische Hauptstadt von 
höchstrangigen Staatsbesuchern wie ein Tollwutsperrgebiet behandelt. 
Das überrascht, wohl auch Erdogan, denn dass die Verbündeten gute 
Beziehungen zur Türkei jemals von deren Einhaltung demokratischer 
Mindeststandards abhängig gemacht hätten, kann niemand behaupten. Es 
auch dieses Mal so zu halten, hat er ihnen aber mit seinen 
cholerischen Rundumschlägen reichlich schwer gemacht. Gar nicht 
überraschend ist, dass der abrupte Wechsel von der Schimpf- zur 
Schmeichelkanonade von Erdogan zuerst an Deutschland exekutiert wird.
Mit Erfolg. Zwar schickt auch die Bundeskanzlerin vorerst nur 
Minister nach Ankara, aber ihre Erklärung, »ein gutes Verhältnis ist 
einem angespannten vorzuziehen«, ist nach Erdogans Unverschämtheiten 
einiges mehr, als dieser erwarten durfte. Schlimmer noch. Für Merkel 
wäre es Gelegenheit gewesen, der erneuten Brüskierung des Bundestages
durch die türkische Regierung etwas entgegen zu setzen. Man muss dies
allerdings auch wollen.
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