Neues Deutschland: zum Referendum in Kisgistan

Kirgistan hat seit Sonntag kraft Volksentscheid die
modernste Verfassung Zentralasiens. Kein »Führer der Nation«, kein
»Vater aller Kirgisen«, der bevorzugt doch nur eigene Kinder und
Verwandte bedenkt, sondern ein demokratisch gewähltes Parlament, in
dem auch Minderheiten Sitz und Stimme haben, soll künftig die
maßgeblichen Entscheidungen treffen. Soweit der löbliche
Verfassungstext. Mit der Wirklichkeit zu Füßen der Tienschan-Gipfel
hat dieser Text bisher wenig zu tun. Gerade erst haben sich Kirgisen
und Usbeken zu blutigen Pogromen gegeneinander hetzen lassen.
Immerhin: Die Volksabstimmung verlief entgegen vielen Bedenken
»bemerkenswert friedlich« und unter großer Beteiligung, wie
ausländische Beobachter bestätigen. Übergangspräsidentin Rosa
Otunbajewa und ihre Regierung sehen sich legitimiert und nennen den
Referendumstag »historisch«. Voreilig? Skeptiker, die Kirgistan in
einer »starken Hand« besser aufgehoben sähen und den Zerfall des
Staates vorhersagen, gibt es reichlich, vor allem in der
Nachbarschaft. Obwohl es doch die bitteren Erfahrungen mit zwei
»starken« Präsidenten waren, aus denen die neue Verfassung
resultiert. »Historisch« wird deren Annahme natürlich erst genannt
werden können, wenn sich die Verheißung von Frieden und sozialem
Aufschwung erfüllt hat, wenn Text und Wirklichkeit einander zumindest
näher kommen.

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