Es ist ja so eine Sache mit der Juristerei: Was ein
gesundes Rechtsempfinden logisch findet, muss sich längst nicht mit
dem decken, was Richter aus den Gesetzen herausholen. So ist es auch
mit dem Urteil von Schleswig-Holsteins Verfassungsrichtern über die
Minder-Mehrheitsregierung des Peter Harry Carstensen in Kiel:
Einerseits kassiert das Gericht das Gesetz, das Schwarz-Gelb an die
Macht gehievt hat. Andererseits aber soll nun ausgerechnet diese
verfassungswidrig entstandene Mehrheit ein verfassungskonformes
Wahlgesetz formulieren. Die Richter in Schleswig, deren Mehrheit
auf Vorschlag der CDU ins Amt gelangt ist, demonstrieren: Wer »A«
sagt, muss deshalb noch längst nicht beim »B« ankommen. Diesen
Einwand mag man für spitzfindig halten. Wirklich ärgerlich ist aber,
dass eine Regierung, die nie die tatsächlichen Mehrheiten abbildete,
nun noch für zwei Jahre freie Bahn hat. Das Streichen bei der
Bildung, die Ausblutung der Kommunen, das Sparkassengesetz, das den
öffentlichen Finanzsektor ausgerechnet jetzt aushöhlt: All das ist
nunmehr legitim. Zum Glück ist wenigstens die Uni-Schließung in
Lübeck vom Tisch, wenn auch ohne Zutun der Koalitionäre. Es ist
also offen, ob das Schleswiger Urteil die Carstensen-Regierung
geschwächt hat – oder sie sogar stärker macht. Da die Verhältnisse im
Parlament vorerst zementiert sind, bleibt der Opposition bis auf
Weiteres nur eins: die Antwort auf der Straße zu geben.
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