Neues Deutschland: zur Fluchtwelle nach Lampedusa und der EU-Politik

Tunesiens vertriebener Diktator Ben Ali war 1999
der erste Regent in Nordafrika, der mit Italien ein Abkommen zur
Flüchtlingsabwehr schloss. Seither fing die tunesische Küstenwache
selbst Flüchtlinge auf dem Meer ab und nahm auch Flüchtlinge
»zurück«, die Italien unbedingt loswerden wollte. Italien
exportierte mit bereitwilliger Duldung der EU in der Folgezeit das
Vertragsmodell in andere Länder – ohne Ansehen der Regierung. Nachdem
2009 auch mit Libyens Muammar al-Ghaddafi ein Übereinkommen
geschlossen worden war, versiegte der Flüchtlingsstrom nach Lampedusa
zusehends. Damit ist es nun fürs Erste vorbei. Tunesiens Stabilität
ist dahin und das Land inklusive Küstenwache hat im Moment andere
Probleme und Prioritäten, als Jagd auf Flüchtlinge zu machen. Die
EU trägt ein gerüttelt Maß an Verantwortung für die Flüchtlinge.
Legale Einwanderungsmöglichkeiten sind rar gesät und um die Gründe
von Flucht und Migration kümmert man sich lediglich in Sonntagsreden
oder gar nicht, wie die Fortsetzung der desaströsen Fischerei- und
Agrarpolitik der EU zu Lasten Afrikas zeigt. Die Entwicklung in
Nordafrika zeigt gleichermaßen das Scheitern der EU-Entwicklungs- und
Flüchtlingspolitik. Theoretisch läge darin eine Chance zur
Generalüberholung eines verfehlten Kurses. Doch faire Handelschancen
statt höherer Mauern – das war bisher kein Merkmal der EU-Politik.

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