Die Freude war groß, als die Europawahl am 26. Mai 
so viele Menschen wie nie zuvor an die Wahlurnen brachte. Viele 
jubelten: Der europäische Gedanke lebt! Doch inzwischen ist aus 
Euphorie Frust geworden. Besonders wegen der Nominierung von Ursula 
von der Leyen als Juncker-Nachfolgerin. Mitglieder des Parlaments 
werfen dem Europäischen Rat (also den Staats- und Regierungschefs) 
Mauscheleien vor. Umgekehrt zeigen die Rats-Mitglieder auf die 
Politik, weil von ihr kein eigener Personalvorschlag kam. Wahr ist: 
Beide Seiten haben versagt. Merkel und Macron konnten von der Leyen 
nur einbringen, weil das Straßburger Parlament uneins ist. Erst fiel 
Manfred Weber durch, dann der Niederländer Frans Timmermans. Es war 
das Aus der sogenannten Spitzenkandidaten, die ja eh nur in ihren 
jeweiligen Ländern bekannt sind. Bei Weber gilt das eigentlich nur 
für Bayern. Wenn das Parlament von der Leyen nun als erste 
Kommissionspräsidentin wählen sollte, dann ist das kein gutes Signal 
für den europäischen Gedanken. Vor allem Ungarn und Polen haben den 
Kompromisskandidaten Timmermans verhindert: weil er ihnen immer 
wieder auf die Finger geklopft hatte, wenn sich die beiden Staaten 
etwa bei der Verteilung von Flüchtlingen verweigerten. Dass sich 
damit ausgerechnet die Rechtsaußen Europas durchsetzen, ist eine 
große Belastung für den erhofften Neustart der EU. Konsequent wäre 
es, wenn das Parlament von der Leyen die Mehrheit versagt. Als 
Zeichen für das Primat der Politik. Doch für diese Variante spricht 
nicht viel. Denn wenn die glücklose Verteidigungsministerin 
durchfallen sollte, dann ist Europa für Monate führungslos. 
Ausgerechnet zum Brexit-Datum. Kaum jemand wird das wollen. Alle 
stecken im selbst verschuldeten Dilemma. Und die einstmals 
begeisterten Wähler schauen fassungslos zu. Wichtigste Frage ist 
daher, wie das verlorene Vertrauen zurückkehren kann. Zu viele 
Politiker und Regierungschefs haben offenbar immer noch nicht 
begriffen, dass es in der Europäischen Union eben nicht um die 
Belange eines einzigen Landes oder Kandidaten geht, sondern um 
Frieden, Recht und Freiheit des gesamten Kontinents. Genau deswegen 
sind die Menschen Ende Mai so gerne zur Wahl gegangen. Sie wollen 
Lösungen für die drängenden Fragen bei der Digitalisierung, auf dem 
Arbeitsmarkt, bei der Migration und der Sicherheit. Sollte die EU 
hier nicht bald liefern, wird die Begeisterung für die europäische 
Idee rasch schwinden. Niemand kann das wollen, der Frieden und 
Demokratie erhalten will.
Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion
Telefon: 0201/8042616
Original-Content von: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, übermittelt durch news aktuell
